Wie ein graues Band schlängelt sich die imposante Nord-Süd-Verbindung über die Alpen, mitten durch die wunderbare Landschaft des Nationalparks Hohe Tauern. Egal ob mit dem Fahrrad, Bus, Motorrad oder Auto. Die Fahrt auf dieser außergewöhnlichen Straße ist immer ein Abenteuer, allerdings ohne echte Gefahren. Seit 1935 wird sie per Hand mit Schaufeln und seit 1953 mit den schweren Wallack-Rotationspflügen vom bis zu 20 Meter hoch liegenden Schnee befreit. So können bis zu 900.000 Menschen pro Jahr das Herz des größten Nationalparks Österreichs erreichen oder einfach die Alpen auf dieser einzigartigen Straße von Norden nach Süden überqueren.
Öffnung war ungewiss
Trotz großer wirtschaftlicher Risiken haben sich die Aktionäre der Großglockner Hochalpenstraßen AG (Grohag) dazu entschieden, die Straße mit nur kurzer Verzögerung zu öffnen. „Der massive Wunsch der Menschen aus allen Bundesländern war enorm“, so Grohag-Vorstand Johannes Hörl. Erstmals in der Geschichte der Glocknerstraße fand die Schneeräumung nicht im April statt, sondern begann erst am 7. Mai.
Schneeräumung in Corona-Zeiten
Aufgrund der Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie wurde diese Arbeit um rund einen Monat verschoben. Obwohl die Sonne so deutlich länger an der weißen Pracht knabbern konnte, blieben insgesamt 400.000 Kubikmeter Schnee und Eis für die Wallack-Fräsen übrig. Das entspricht der Länge eines mit Schnee befüllten Güterzuges von knapp 200 Kilometern – also der Strecke Linz bis Wien. Zudem war die weiße Pracht durch die starke Sonneneinstrahlung sehr schwer und feucht. Die mächtigen Rotationspflüge fraßen sich trotz allem unaufhaltsam von der Salzburger und der Kärntner Seite bis zum Hochtor durch, wo am 25. Mai der Durchstich gefeiert wurde. Diesmal mit dem Segen zweier Bischöfe aus Salzburg und Kärnten. Das war zuletzt im Jahr 1935 bei den Eröffnungsfeierlichkeiten der Hochalpenstraße der Fall.

Die doch noch erfolgte Öffnung ist ganz besonders im Licht der Corona-Pandemie ein positives Signal.
Landeshauptmann Wilfried Haslauer
Oskar, Jörgen, Ander und Eisbändiger fräsen
Was zu Beginn 350 Männer in durchschnittlich 70 Tagen in mühevoller Handarbeit schafften, erledigen seit 70 Jahren die historischen Rotationspflüge, die vom Glocknerstraßen-Erbauer Franz Wallack eigens für die Schneeräumung der Hochalpenstraße konstruiert wurden. Kraftvoll, laut und mit für die Fahrer deutlich spürbaren Vibrationen schleudern sie den Schnee in meterhohen Fontänen von der Straße. Eine trägt den Spitznamen ihres Konstrukteurs, Eisbändiger, die anderen heißen Oskar, Jörgen und Ander. „Nach wie vor gibt es keine besser geeigneten Maschinen, die diese Aufgabe übernehmen könnten“, sagt Grohag-Betriebsleiter Peter Embacher. Mit der Hilfe von drei Dieselmotoren schleudert eine der Fräsen 9.000 Kubikmeter Schnee pro Stunde neben die Fahrbahn. Teils bis zu 30 Meter hohe Schneeverwehungen entfernen sie, indem Schicht für Schicht abgetragen wird.
Glocknerstraße als Testgelände für moderne Räumgeräte
„Wir testen immer wieder neue Räumgeräte, teilweise Prototypen von verschiedenen Herstellern bei der Schneeräumung. Speziell beim Abtragen des Schnees in Schichten können diese mit den Wallack-Fräsen aber nicht mithalten“, so Betriebsleiter Embacher, der seit 40 Jahren über die Schneeräumung am Glockner wacht. „Wir schauen deshalb auch sehr gut auf sie, damit sie noch einige Jahrzehnte eingesetzt werden können. Sie werden auf jeden Fall deutlich länger im Einsatz sein als ich“, schmunzelt Peter Embacher.
Großer logistischer Aufwand
Hinter dem Aufsperren dieser Panoramastrecke steckt ein riesiger logistischer Aufwand, der über die Schneeräumung weit hinausgeht. Felssicherungen, Lawinensprengungen, Beseitigung von Vermurungen, Errichtung von Weidezäunen und das Montieren der Leitschienen auf knapp 50 Kilometern Alpenstraße kommen noch dazu. Neben schweren Maschinen sind auch erfahrene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gefragt. Rund 20 werden nur für die Schneeräumung eingestellt, weitere 50 Leute für Straßendienst, Kassenstellen, Shops und Ausstellungen.
Die Wallack-Fräsen sind seit 70 Jahren im Einsatz. Trotzdem können moderne Geräte sie nicht ersetzen.
Grohag-Betriebsleiter Peter Embacher
Natur, Denkmal, Touristenmagnet und Sportstätte
Eine Straße, die Natur erlebbar macht. Was scheinbar ein Widerspruch ist, trifft nirgends besser zu als auf der Strecke zwischen Ferleiten im Salzburger Pinzgau und Heiligenblut in Kärnten. Die Strecke wird gesäumt von Kulturlandschaft, unberührter Natur des Nationalparks Hohe Tauern, einer beeindruckenden Flora und Fauna und atemberaubenden Panoramen. Die Großglockner Hochalpenstraße ist nicht nur eine aufwendig errichtete Nord-Süd-Verbindung über die Alpen. Für den einfachen Verkehr von Gütern und Personen hat sie keine besonders große Bedeutung. Vielmehr ist sie ein Symbol, das größte Denkmal Österreichs, Touristenmagnet und mitunter auch eine Sportstätte. Waren es in den Anfangsjahren Autorennen, die hier durchgeführt wurden, sind es heute international bedeutende Rad-Bewerbe bei denen nicht nur die Anstrengung sondern auch das Panorama den Sportlern den Atem raubt. REP_200530_30 (mw/sm)