Am
20. Juni 2023 hat die Europäische Kommission turnusgemäß eine Halbzeitüberprüfung zur Umsetzung des Mehrjährigen Finanzrahmens 2021-2027 vorgelegt. Diese spiegelt die Besonderheiten der weltweiten geopolitischen und wirtschaftspolitischen Herausforderungen in besonderem Maße wieder.
Die Europäische Union (EU) ist seit der Einigung über den Mehrjährigen Finanzrahmen 2021-2027 durch die Staats- und Regierungschefs im
Juli 2020 mit einer Reihe beispielloser und unerwarteter Herausforderungen konfrontiert. Nachdem die EU mit dem Abklingen der COVID-19-Pandemie (offizielles Ende lt. WHO im
Mai 2023) gerade eine der schwersten weltweiten Krisen seit mehr als einem Jahrhundert überstanden hatte, zog Russlands brutale Invasion der Ukraine, die am
24. Februar 2022 startete, ungeheure
humanitäre, wirtschaftliche und finanzielle Folgen nach sich.
Die Migration war bereits vor der COVID-19-Pandemie ein Thema (insbesondere 2014-2015), ging dann zurück und hat mit dem Abklingen bzw. nach dem Ende der COVID-19-Pandemie erneut wieder zugenommen. Damit gerieten die Aufnahme- und Integrationskapazitäten der Mitgliedstaaten erneut unter Druck. Im Rahmen des neuen
Migrations- und Asylpakets werden die Union und die Mitgliedstaaten neue Verantwortlichkeiten übernehmen, was zusätzliche Kosten für den EU-Haushalt mit sich bringen wird.
Die Verteuerung der
Geldpolitik durch das Anheben der Zinssätze auf in den internationalen Geldmärkten geltenden Werten und der steile Anstieg der Inflation in der EU haben – unter anderem durch eine sprunghafte Erhöhung der Finanzierungskosten für NextGenerationEU – direkte Auswirkungen auf den Haushalt der Union.
Nach einer Reihe von Störungen globaler Lieferketten arbeitet die EU daran, ihre offene strategische Autonomie zu steigern. Um die langfristige
Wettbewerbsfähigkeit Europas bei Technologien, die entscheidend für seine führende Rolle sind, zu fördern, bedarf es erheblicher Investitionen.
Der
EU-Haushalt hat durch die Ausnutzung seiner begrenzten Handlungsspielräume (Flexibilität) und durch ausgiebige Umplanungen im Rahmen der Möglichkeiten eine entschlossene Reaktion der EU auf all diese Herausforderungen maßgeblich unterstützt. Damit wurden die Ressourcen des EU-Haushalts jedoch in der neuen EU-Haushaltsperiode (2021-2027) nun nahezu erschöpft, sodass kaum bis kein Handlungsspielraum für ein aktives Eingreifen zugunsten der EU und ihrer Mitgliedstaaten bei den drängendsten Problemen mehr vorhanden ist.
wenn alle der EU in den vergangenen Monaten zuerkannten zusätzlichen Aufgaben durch EU-Finanzinstrumente bzw. EU-Fonds sinnvoll finanziell unterfüttert und durch die Dienste in den EU-Institutionen (insbesondere in der Europäischen Kommission und einzelnen Agenturen) zuverlässig wahrgenommen werden sollen;
wenn die EU – und ihre Mitgliedstaaten - ihre führende Stellung als Global Player in einer fluiden weltweiten Sicherheits- und Wettbewerbsarchitektur aufrechterhalten wollen.
Mit den Vorschlägen soll durch zielgerichtete Aufstockungen in einer begrenzten Zahl prioritärer Bereiche sichergestellt werden, dass der Haushaltsplan der EU weiter seine wichtigsten Aufgaben erfüllen kann. Im Überblick:
Wie funktioniert die Mittelausstattung für den EU-Haushalt?
Gespeist wird er EU-Haushalt als den Mitgliedsbeiträgen der EU-Mitgliedstaaten (und ihrer Regionen) sowie aus so genannten „Eigenmitteln", die EU-weit auf Abgabenbasis in bestimmten Sektoren erhoben werden.
Zu Österreichs Mitgliedsbeitrag zum EU-Budget tragen neben dem Bund auch die Länder bei. Der Beitrag der Bundesländer basiert auf einem fixen Prozentsatz der Bemessungsgrundlage (Mehrwertsteuer–Eigenmittel und Bruttonationaleinkommen–Eigenmittel) sowie einem im Finanzausgleichsgesetz 2008 festgelegten Betrag.
Der jährliche Haushaltsplan der Europäischen Union wird durch den Mehrjährigen Finanzrahmen bestimmt. Dafür verständigen sich die im Rat versammelten Vertreterinnen und Vertreter der Mitgliedstaaten auf der Grundlage eines Vorschlags der Europäischen Kommission und in Verhandlungen mit dem Europäischen Parlament auf einen gemeinsamen Mittelrahmen für sieben Jahre:
Die in den EU-Haushalt eingezahlten Gelder dienen zum größten Teil der Finanzierung der EU-Programme und zu einem geringen Teil (ca. 7%) für die Verwaltungsstrukturen der EU-Institutionen und EU-Agenturen.
Reform der Eigenmittel für den EU-Haushalt stockt?
Um den EU-Haushalt 2021-2027 zu stärken und um auf die mit dem Umgang der wirtschaftlichen und sozialen Folgen der COVID-19-Krise verbundenen Belastungen für die öffentliche Hand, für die Wirtschaft und für Europas Bürgerinnen und Bürger einzugehen, hat die Europäische Kommission im Mai 2020 ihren Vorschlag für eine Reform der Einnahmenseite für den EU-Haushalt wiederholt.
Vorschlag für die Einführung einer
EU-Digitalabgabe (ursprüngliches Zieldatum war 2023).
Als weitere mögliche Einnahmequellen wird über eine Ausweitung des
europäischen Emissionshandels auf den Luftraum und auf die Schifffahrt nachgedacht, und es wird eine eventuelle gemeinsame Finanztransaktionssteuer erwogen.
Am
10. Mai 2023 nahm das Europäische Parlament eine Entschließung an, in dem eine Bewertung des bisherigen Reformprozesses gefordert und auch einige neue Ideen für zusätzliche Einnahmequellen wie beispielsweise eine Steuer auf Kryptowährungen vorgeschlagen werden. Die Abgeordneten forderten die Kommission ebenfalls auf, „spätestens im dritten Quartal 2023" neue Vorschläge für eine weitere Stärkung des Eigenmittelsystems für den EU-Haushalt vorzulegen.
Wie funktioniert die Mittelausschüttung?
Die EU leistet aber auch direkte Zahlungen an nicht–öffentliche Fördernehmerinnen bzw. Fördernehmer, der größte Fördertopf ist hier das EU-Forschungsprogramm
Horizon Europe.
Nächste Schritte
Die Vorschläge der Kommission für eine Überarbeitung des Mehrjährigen Finanzrahmens 2021-2027 sind Gegenstand des EU-Gesetzgebungsverfahrens:
sind die Kommissionsvorschläge für die Errichtung einer
Ukraine-Fazilität und für die Einrichtung des
STEP-Instrumentes zur langfristigen Sicherung der globalen Wettbewerbsfähigkeit der Volkswirtschaften in der EU Gegenstand des so genannten Ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens, bei dem Europäisches Parlament und Rat gemeinsam am Verhandlungstisch sitzen und eine Einigung über den Vorschlag der Kommission erzielen müssen.
Damit die EU ab 2024 auch tatsächlich über die notwendigen Ressourcen verfügt, um die gegenwärtigen und kommenden Herausforderungen weiter zu bewältigen, ist eine rechtzeitige Einigung über das Paket von entscheidender Bedeutung, mahnt die Kommission die Ko-Gesetzgeber: Die Verhandlungen müssen mitsamt der Zustimmung des Europäischen Parlaments vor Ende des Jahres 2023 abgeschlossen sein, damit die Vorschläge zum 1. Jänner 2024 wirksam werden können, da
die Kommission erwartet, dass eine angespannte Haushaltslage bereits 2024 konkret spürbar werden wird und
es unbedingt vermieden werden sollte, im Wahljahr 2024 einen EU-Haushalt in so genannten „Zwölfteln" (d.i. eine monatliche Festsetzung des Haushaltes) abstottern zu müssen.
Über den Stand der Gesetzgebungsverfahren informiert die Legislative Beobachtungsstelle im Europäischen Parlament.