Die gebürtige Zellerin Michaela Petz-Michez lebt seit 30 Jahren in Brüssel und arbeitet seit 20 Jahren für das Land Salzburg. "Ich nenne beides meine Heimat und wir als Familie leben Europa. Mein Mann ist eine Mischung aus Belgien und Italien, dazu ich als Pinzgauerin und meine Tochter, die es gar nicht anders kennt als dass wir alle Europäer sind", sagt Michaela Petz-Michez. Ihr Herz schlägt für die EU, aber sie versteht auch, dass es Kritik gibt. Doch mehr dazu im ausführlichen Interview.
So fern und doch so nah
Fast 1.000 Kilometer liegen zwischen Salzburg und Brüssel. Ein weiter Weg, doch sind wir uns näher als wir glauben?
Petz-Michez: Wir sind uns viel näher als man denkt. Salzburg ist schon seit mehr als 30 Jahren in Brüssel stark präsent. Wir waren das erste Bundesland Österreichs, das in Brüssel ein EU-Verbindungsbüro eröffnet hat. Der Grund war einfach: Wir wollten uns Partner suchen, wissen wie sozusagen der Hase läuft in Brüssel. Und da rund 80 Prozent der EU-Gesetze auch uns in Salzburg unmittelbar betreffen, ist es sehr wichtig, dass wir mitwirken und das Beste für Salzburg herausholen. Dazu kommt, dass die EU-Staaten unser wichtigster Exportmarkt sind und wir bekommen Direktinvestitionen, die haben sich in den vergangenen Jahren verzehnfacht. Kurz: Wir sind Teil der Europäischen Union, das ist nicht mehr wegzudenken.
Direkter Draht nach Brüssel
Wie muss man sich das politische Leben in Brüssel vorstellen? Trifft man sich auf eine belgische Waffel und macht sich die Dinge aus?
Petz-Michez: Die Arbeit und das Privatleben sind sehr eng miteinander verwoben. Irgendwie hat jeder irgendwas mit der EU zu tun, das Gesprächsthema ist oft die EU. Und insgesamt ist alles sehr sach- und fachorientiert. Egal ob mit den Botschaftern, mit den anderen Bundesländern, mit den Abgeordneten – es geht meist um unser Bundesland und was wir erzielen können. Wir sind so um die 1.000 Österreicher in Brüssel und sind extrem gut vernetzt. Es gibt kurze Wege. Ein direkter Anruf beim Botschafter ist nicht selten, auch Anrufe im Kabinett des Kommissars oder auch beim Abgeordneten. Das macht uns in der Zusammenarbeit sehr schnell.
Netto-Empfänger Salzburg
Sie haben tiefe Einblicke in die Vorgänge in Brüssel, gleichzeitig wissen Sie, was Salzburg bewegt. Würden Sie sagen, dass wir als Region was von der EU haben?
Petz-Michez: Also erstens sind wir in Salzburg Nettoempfänger. Wir zahlen rund 35 Millionen pro Jahr an die EU und alleine im landwirtschaftlichen Bereich kommen rund 60 Millionen pro Jahr zurück. Dazu kommen noch zahlreiche andere Förderungen für Projekte auf verschiedensten Ebenen. Und stellen wir uns vor: Wir hätten wieder alle Grenzen, 70 Prozent des Außenhandels findet mit EU-Mitgliedsstaaten statt, Tourismus, Landwirtschaft und vieles mehr. Es wäre ohne EU ein riesiger Einschnitt, eigentlich undenkbar. Sind wir ehrlich: Wir merken es bei den Briten. Sie reden nicht viel darüber, aber ich glaube, dass selbst die Briten irgendwann wieder zur EU zurückkommen.
Die EU kritisch gesehen
Da spricht der große Fan der EU. Aber verstehen Sie Menschen, denen das „Verwaltungsmonster“ EU zu groß ist? Verstehen Sie, wenn die EU sehr kritisch gesehen wird?
Petz-Michez: Ich verstehe die Kritik und die Skepsis absolut. Ich verstehe sie vor allem, weil ich schon so lange in Brüssel bin. Die EU ist ein Vertrag und der ist megakompliziert. Wieso mischt sich die EU zum Beispiel bei Handelsabkommen ein oder auch beim Verkehr. Naja, weil es so festgelegt ist. Das System mit den 27 Mitgliedsstaaten sowie den vielen Institutionen ist kompliziert und schwer zu durchschauen. Und: Es ist so langwierig. Die Dinge brauchen oft Jahre, da brauche selbst ich oft einen langen Atem. Aus diesen Gründen verstehe ich die Kritik absolut. Ich appelliere daher immer wieder, sich zu informieren, zuzuhören, die Infos auch aktiv zu holen. Dann entwickelt man ein Gefühl, um was es überhaupt geht.
Die Wahl am 9. Jini 2024
Am 9. Juni wählen die Österreicher das neue Europäische Parlament. Gibt es gute Gründe hinzugehen?
Petz-Michez: Es ist sehr wichtig hinzugehen. Für uns sind die Europaabgeordneten die einzigen von der EU-Bevölkerung gewählten Vertreterinnen und Vertreter. Das Parlament entscheidet stark mit – im Zusammenspiel mit Kommission und Rat. Ich denke, das ist unsere Pflicht, dass wir mit unserer Stimme auch europaweit mitreden, welche Richtung eingeschlagen wird. Wie sollte Österreich es ohne EU in dieser globalisierten Welt packen? Darum: bitte mitreden und mitbestimmen! INT_240510_70 (mel)