Hubert Stock wurde 2018 vom betroffenen Landwirt zum Wolfsbeauftragten. Auch seine Schafe wurden damals gerissen, sein diplomatisches Geschick und seine Erfahrung machten ihn zum Wolfsbeauftragten des Landes. Selten hat er so offen gesprochen, doch im Interview mit dem Landes-Medienzentrum tat er es. In einem außergewöhnlichen Jahr, als der erste Wolf in Salzburg seit den 1990er-Jahren legal erlegt und bei Schwarzach ein toter Braunbär auf den Gleisen gefunden wurde. Und: Die Sorge wegen Hybriden Wolf-Hund wächst.
LMZ: Der Wolf wieder in Salzburg. Damit müssen wir jetzt leben, oder?
Hubert Stock: Ja, das ist so, alles andere wäre naiv. Rund um uns herum spielt es sich ab, in den Nachbarländern gibt es stark steigende Populationen. In Europa – ohne den russischen Teil – muss man von rund 30.000 Tieren ausgehen. Daher kann man längst nicht mehr von einer gefährdeten Art sprechen.
LMZ: Die Zustimmung nach dem Erlegen des Wolfes im Bereich Hochkönig war enorm, zu sehen auf den Social Media Kanälen des Landes. Aber nicht nur…
Hubert Stock: Nein, ich bekomme immer wieder - nicht erst jetzt nach dem Abschuss - bitterböse Mails mit Wortlauten, die ich hier nicht wiederhole. Zuletzt wurde ich von einer extremen Tierschützerin sogar als „Nazi“ bezeichnet. Ich nehme solche Menschen zum Glück nicht ernst, das ist einfach mein Gemüt. Die Menschen verstehen auch meine Aufgabe teils völlig falsch.
LMZ: Inwiefern?
Hubert Stock: Viele denken, dass ich für die Wiederansiedelung der Wölfe zuständig bin. Nein, das bin ich nicht! In erster Linie bin ich Koordinator für alle Fragen, die den Wolf in Salzburg betreffen. Nach dem Riss von Nutztieren, organisiere ich die Rissbegutachtung, bin auch oft selber vor Ort, berate die Bauern über Entschädigungen und auch Herdenschutzmaßnahmen, wo solche möglich sind. Auch die Abwicklung der Anträge ist meine Aufgabe, alleine heuer waren es schon mehr als 90 Förderanträge für Herdenschutzmaßnahmen. Seit es diese gibt, haben wir als Land mehr als 850.000 Euro an Herdenschutzmaßnahmen gefördert. Es stimmt also nicht, dass die Landwirte das von vornherein ablehnen. Aber Herdenschutz macht eben nicht überall Sinn, meist nur in Hofnähe. Auf unseren Almen ist er in der Regel nicht zumutbar oder verhältnismäßig.
LMZ: Es wird aber immer gesagt, dass Herdenschutz in der Schweiz bestens funktioniere…
Hubert Stock: Wir sind von der Struktur her ganz anders als die Schweiz. Dort gibt es große Gemeinschaftsweiden. Bei uns ist historisch gewachsen alles sehr klein strukturiert. Das ist nicht vergleichbar. Oft wird auch argumentiert, dass man einfach die Herden zusammenlegen solle. Das wäre ein klarer Eingriff in Besitzrechte, was wohl niemand will. Das geht aber oft beim einen Ohr rein und beim anderen raus. Überhaupt höre ich von den NGOs und auch von Tierschützern seit Jahren immer dieselben Argumente, die längst und vielfach widerlegt sind.
LMZ: Sehen Sie Ihre Position als zu einseitig?
Hubert Stock: „Nein. Ich bin für das Land Salzburg da, dass unsere kleinstrukturierte Landwirtschaft erhalten bleibt und unsere Almbauern eine Chance haben, weiter zu bestehen. Denn das ist bei uns die Grundlage für so vieles, vom wichtigen Wirtschaftsfaktor Tourismus bis hin zum Schutz vor Naturgewalten. Wenn die Almen verbuschen, geht unsere Kulturlandschaft verloren. Zudem würde der Verlust unserer Almen auch einen enormen Biodiversitätsverlust bedeuten. Wir würden mit dem Wolf ein Tier zurückbekommen und dafür hunderte Pflanzen- und Tierarten opfern. Es hängt so viel von einer intakten Land- und Almwirtschaft ab, sie schafft das Gesicht unseres Landes und damit die Grundlage allen Wirtschaftens für das gesamte Bundesland.
LMZ: Muss der Wolf also ganz weg?
Hubert Stock:Das wird nicht möglich sein, dazu sind wir von viel zu vielen Wolfsrudeln umgeben. Wir brauchen pragmatische Lösungen, die unseren Bäuerinnen und Bauern Zukunftsperspektiven bieten. Herdenschutz, wo er möglich, zumutbar und verhältnismäßig ist. Da sind wir Vorreiter in Österreich. In den nicht-schützbaren Bereichen muss dafür eine unkomplizierte Bejagung möglich sein. Dazu ist die Änderung des Schutzstatus nötig – da sind wir gemeinsam mit den ARGE ALP-Regionen unermüdlich dran. Es ist auch der letzte noch unerfüllte fünfte Punkt im 5-Punkte-Aktionsprogramm des Landes. Alle anderen Punkte haben wir bereits erledigt.
LMZ: Der erlegte Wolf in der Region Hochkönig-Steinernes Meer war ein Weibchen, was doch überrascht hat…
Hubert Stock: Auch weibliche Tiere gehen auf Wanderschaft, sonst könnte es ja nie zur Paar- und Rudelbildung in neuen Territorien kommen. In Salzburg war das aber tatsächlich der erste nachgewiesene weibliche Wolf überhaupt und gibt uns auch zu denken. Wie man in Kärnten sieht, kommt es, wenn ein männlicher Wolf auf einen weiblichen trifft, schnell zur Rudelbildung. Bedenklich wird es, wenn eine läufige Wolfsfähe mangels vorhandenem Wolfsrüden auf einen Hund trifft und daraus sogenannte Hybriden entstehen. Die will nämlich keiner, nicht einmal der Naturschutz.
LMZ: Sind diese weniger scheu?
Hubert Stock: Auch von diesem Mythos müssen wir uns endlich trennen. Es heißt zwar immer, der Wolf ist ein scheues Tier, aber die Praxis zeigt uns ganz was anderes. Das ist logisch, da jedes Wildtier, das nicht bejagt wird, irgendwann die Scheu vor dem Menschen verliert. Das belegen auch diverse wissenschaftliche Studien sehr eindrucksvoll.
LMZ: Sie sagen immer, es sind derzeit drei bis vier Tiere im Bundesland unterwegs.
Hubert Stock: Wir gehen derzeit von einem Wolf im Bereich Rußbach-Abtenau aus, dieser ist auch als Problemwolf definiert. Zusätzlich gibt es das Video aus dem Lungau, den Fund einer Losung in Forstau und Fotohinweise im Oberpinzgau. Die Dunkelziffer ist jedoch sicher höher.
LMZ: Damit sind es unruhige Wochenenden für Sie?
Hubert Stock: Diese Tiere blieben bis auf die definierten Problemwölfe im Gebiet zwischen Hochkönig und Steinernes Meer und Rußbach bisher unauffällig. Es liegt in der Natur der Sache, dass die Almbauern meist am Wochenende nach den Tieren sehen und eventuelle Risse entdecken. Dann heißt es die Rissbegutachtung zu organisieren und in erster Linie für Gundi Habenicht ausrücken zur Begutachtung. Zusätzlich wollen wir jetzt mehr Rissbegutachter aus der Berufsjägerschaft ausbilden, denn diese haben das nötige Grundwissen. Ist das Rissbild eindeutig, kann der Wolfsriss unmittelbar bestätigt werden. Zusätzlich werden zum Zweck eines umfassenden Monitorings DNA-Proben entnommen. Deren Analyseergebnis zeigt woher der Wolf stammt, ob dieser schon irgendwo registriert wurde und ob es sich um einen weiblichen oder männlichen Wolf handelt.
LMZ: Wie sehen Sie die Zukunft? Wird es ein Miteinander Mensch und Wolf geben?
Hubert Stock: Ich bin und bleibe zuversichtlich, weil alle Ebenen – bis auf ein paar extrem eingestellte Menschen – um Lösungen bemüht sind. Die Herabsetzung des Schutzstatus ist zwar ein mühsamer politischer Prozess, aus Expertensicht aber unumgänglich. Bis dahin haben wir in Salzburg mit der Verordnung sogenannter Maßnahmengebiete eine gute Übergangslösung, um definierte Problemwölfe bejagen zu können. Das ist weitaus besser als illegale Abschüsse wie in diesem Sommer in Niederösterreich, wo ein erschossener Wolf in der Donau trieb. INT_230717_70 (mel/msc)