Autor:
Melanie Hutter,
Fotos:
Gerald Valentin, Melanie Hutter
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Sicherheit

Die Bischofsmütze bröckelt

Big brother is watching you. Wenn es um die Bischofsmütze geht, ist Landesgeologe Gerald Valentin eine Art „Wächter“. Alle zwei Jahre kontrolliert und vermisst er alles millimetergenau mit Hilfe von Messbolzen in den größten Spalten unterhalb des Gipfels in der fast senkrechten Felswand. Die gute Nachricht: Eines der Wahrzeichen Salzburgs bröckelt, aber ist relativ stabil – noch. Ein absturzgefährdeter Felsbrocken musste im vergangenen Jahr gesprengt werden, denn der Berg ist in Bewegung.
 

​Schwindelfrei und viel alpine Erfahrung - das sind die Voraussetzungen, wenn man die steilen Flanken der Bischofsmütze in zirka 2.400 Meter Seehöhe als Arbeitsplatz hat. Die beiden Bergführer Gerald Valentin und Hans Wallinger haben sich von Pilot Alfred Pritz zum „Sorgenkind“ per Tau hinauffliegen lassen, um dort die Messreihe fortzusetzen, die es seit 2001 gibt.

Spalten werden millimetergenau vermessen

Das Fazit: „Die Hauptspalten unterhalb des Gipfels sind in Bewegung, die Deformationen liegen aber innerhalb der Messtoleranz. Diese Klüfte sind maßgeblich für die Stabilität des ganzen Gipfelbereiches“, so Valentin nach dem Vermessen mit dem Laser in schwindelerregenden Höhen. Das sind gute Nachrichten, denn wäre dieser „Hotspot“ von einem Felssturz betroffen, wäre die Bischofsmütze nicht mehr die Bischofsmütze. Das Aussehen würde komplett verändert werden und hunderttausende Tonnen Gestein würden ins Tal donnern.


Bei einem massiven Felssturz würde die Bischofsmütze ihr Aussehen komplett verändern.
Gerald Valentin, Landesgeologischer Dienst

​Die Felswand schickt ein SMS

Die Flugpolizei und Gerald Valentin müssen alle zwei Jahre zum Gipfelbereich, um die Spaltenbreite zu kontrollieren, eine elektronische Messung ist nicht möglich. „Weil es da oben viel zu exponiert ist. Blitzschlag würde die Sensoren zerstören“, weiß der Landesgeologe und erzählt von einem weiteren „Sorgenkind“ in Salzburg, dem Ingelsberg in Bad Hofgastein. Hier lauern lose Felsbrocken oberhalb der Ortschaft, der Berg wurde daher komplett mit elektronischen Sensoren ausgestattet: „Die Daten können wir live abrufen. Falls sich der Berg außerhalb der festgelegten Toleranz bewegt, bekommen wir ein SMS aufs Handy, um in einem Notfall die Menschen warnen und den Evakuierungsplan aktivieren zu können.“

Die Bischofsmütze steht unter genauer Beobachtung. Falls Felsstürze drohen, müssen wir im Sinne der Sicherheit reagieren.
Philipp Kogler, Katastrophenschutzreferent Tennengau

Felsbrocken wurde 2019 erfolgreich gesprengt

Wie die Natur sich verändert, oft auch ein harter Winter auswirkt, zeigte das Jahr 2019. Die Schneemassen haben damals einen etwas 25 Kubikmeter großen Kalkfels vorwärts geschoben, sodass er abzustürzen drohte, der Normalweg auf den bekannten Gipfel der Bischofsmütze lag im Gefahrenbereich. Spezialisten aus St. Veit sprengten den Fels erfolgreich, Bergretter aus Filzmoos, Annaberg und Flachau räumten auf, die Gefahr war gebannt.

Dieser Berg ist wie ein Schweizer Käse.
Gerald Valentin, Landesgeologischer Dienst

Ostseite besonders instabil

Allerdings: An der Ostseite gibt es laut Valentin und den letzten Messungen lose Schuppen, eine davon hat zirka 10.000 Kubikmeter, die extrem labil sind. „Wir nehmen an, dass die morgen, übermorgen oder innerhalb der kommenden zehn Jahre herunterdonnern werden. Hier besteht aber keine konkrete Gefahr für Menschen, höchstens im Winter auf der Skiroute ins Stuhlloch. Deshalb werden diese Bereiche auch nicht extra einem Monitoring unterzogen“, kennt Valentin die Schwachstellen des Bergs.

Brisant: Kalk auf Dolomit, steiler Zahn auf weichem Sockel

„Man kann sich diesen Berg wirklich vorstellen wie einen Schweizer Käse. Innerhalb des massiven Kalkstockes gibt es große Hohlräume, das Fundament besteht aus labilem Dolomit. Dieses System ,hart auf weich‘ macht die Bischofsmütze zu einem Sorgenkind für uns Geologen“, erklärt Valentin.

Falls sich die Mütze bewegt…

Würden die Geologen eine massive und schnellere Veränderung feststellen, werden zuerst die Messintervalle verkürzt. „Wenn wir dann sehen, es geht in Richtung eines größeren Felssturzes, müsste der Normalweg auf die Bischofsmütze behördlich gesperrt werden. Genau gesagt, kann der Bürgermeister eine ortspolizeiliche Verordnung machen“, ergänzt Philipp Kogler, Katastrophenschutzreferent der Bezirkshauptmannschaft Tennengau. REP_200601_70 (mel)

Salzburg; Sicherheit; Tennengau
Info

Die Bischofsmütze änderte 1993 ihr Gesicht

250.000 Tonnen Gestein beziehungsweise 100.000 Kubikmeter donnerten am 22. September 1993 und 10. Oktober 1993 bei zwei großen Felsstürzen ins Tal. Niemand wurde verletzt, keine Wege beschädigt, allerdings änderte der markante Berg sein Aussehen und das lose Material richtete in Form von Muren im Tal bei der Oberhofalm in Filzmoos Sachschaden an. Seither steht der markante Berg unter Beobachtung, um neue Ereignisse so gut wie möglich voraussagen zu können.