Autor:
Martin Wautischer,
Fotos:
Melanie Hutter, ZAMG/Scheer
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Forschung

Forschung auf höchstem Niveau

Temperaturen von minus 20 Grad und darunter, Windgeschwindigkeiten bis über 200 km/h, 3.106 Meter Seehöhe, weit ab von jeglicher Zivilisation. Für das Team im Sonnblick Observatorium bedeutet das: Kein persönlicher Kontakt zur Außenwelt während der zweiwöchigen Schichten. Unter diesen Bedingungen werden seit 1886 beinahe ohne Unterbrechung wissenschaftliche Daten zum Wetter sowie zu Biosphären-, Atmosphären- und Gletscherforschung gesammelt. In jeder Hinsicht auf höchstem Niveau.
 

Jedes Jahr wird im Sonnblick Observatorium an rund 50 Forschungsprojekten aus aller Welt gearbeitet, von der Klimaforschung über die Biologie und Medizin bis zur Meteorologie, die Themenfülle ist nicht enden wollend.

Die Luft ist rein für einzigartige Messungen

Das Observatorium bietet drei große Vorteile in einem: Unverfälschte Daten durch die reine Luft aufgrund der Höhenlage, die lange Messreihe sowie die Infrastruktur, um leicht ins Hochgebirge zu kommen. Diese Alleinstellungsmerkmale verhelfen der Messstation auch international zu großer Bedeutung. So ist die exponierte Lage unter nahezu emissionsfreien Bedingungen einzigartig in Europa. Die Messungen, die seit 133 Jahren nahezu unterbrechungsfrei laufen, ermöglichen einen objektiven Blick auf den Klimawandel.

Extreme Bedingungen für Mitarbeiter

Nicht nur die hochalpine Lage mit extremen Wetterbedingungen ist für die Mitarbeiter herausfordernd. Soziale Kontakte, auch mit der Familie, gibt es während der zwei Wochen dauernden Schichten fast nur über Telefon oder Internet. Nur selten kommen Besucher hinauf, der Tagesablauf ist ab 5 Uhr früh strikt durchgeplant. Der Alltag dort gleicht einer Quarantäne, die das ganze Jahr dauert. Kein leichter Job, den alle aber gut meistern. „Die Dienstwechsel überschneiden sich. Nachdem man nur eine Woche mit einem Kollegen zusammen ist, gibt es keine Probleme und wir können uns im Notfall auch aus dem Weg gehen, an verschiedenen Orten in der Station. Freiräume zu schaffen ist das Geheimnis“, fasst Techniker Hermann Scheer die Situation zusammen.

Die exponierte Lage in der reinen Luft ist einzigartig in Europa.
Elke Ludewig, Leiterin des Sonnblick Observatoriums

Was Hummeln mit Flammschutzmittel zu tun haben

Seit 2005 läuft am Sonnblick Observatorium unter rund 50 Forschungsprojekten ein Überwachungsprogramm, in dem mehr als hundert potentiell problematische Chemikalien in der Luft und im Niederschlag gefunden wurden. Das EU-Projekt „protectAlps soll klären, ob diese Auswirkungen auf Insekten haben. Hummeln eigenen sich besonders gut dafür, die Population ist stark genug, um nicht unter den Tests zu leiden. Erste Untersuchungen zeigten zum Beispiel Spuren von Flammschutzmittel aus Kunststoffen in den Insekten. Ebenso lässt sich in jeder Probe Quecksilber nachweisen. Geklärt wird hier auch, ob die Insekten Wachstumsschäden erleiden, da Chemikalien auch Verformungen an Flügeln bewirken können.

Neue Seilbahn ermöglicht mehr Forschungsprojekte

Erreichbar war die Forschungsstation auf dem Sonnblick bis Ende 2018 nur auf abenteuerlichem Weg, in einem kleinen ‚Kisterl‘ einer Materialseilbahn. Die schwindelerregende Fahrt war daher nur bei Schönwetter möglich. Die 60 Jahre alte Materialseilbahn wurde zur Freude der Forscher und Wetterwarte durch eine neue 6er Kabinenbahn ersetzt, die in zehn Minuten drei Kilometer Strecke und 1.477 Höhenmeter überwindet. Nerven wie Drahtseile braucht man für die Fahrt nun nicht mehr.

Das Observatorium ist ein Jackpot, den wir hier auf Salzburger Boden haben.
Landeshauptmann Wilfried Haslauer

Notstromversorgung erhöht die Sicherheit

Die Energieversorgung und den Notstromraum für die neue Bahn hat das Land Salzburg gefördert. „Auf einem 3000er sind Hubschrauberflüge wetterbedingt nicht nimmer möglich. Mit einer Notstromversorgung kann die Seilbahn fast immer fahren, ein wichtiger Faktor in der Rettungskette, betont Landeshauptmann Wilfried Haslauer. Ein weiterer Vorteil ist, „dass das Observatorium jetzt viel besser zugänglich ist, ergänzt die Leiterin Elke Ludewig. „So können wir jetzt die schon länger anstehenden Anfragen internationaler Forscherteams positiv beantworten.

Erfahrene Frau aus dem Eis als Chefin

Extreme Bedingungen sind für Observatoriumschefin Elke Ludewig keine Herausforderung mehr. Sie verbrachte bereits 14 Monate durchgehend in einer Forschungsstation in der Antarktis. „Ich habe dort keinen Lagerkoller bekommen, denn es ist zum einen sehr arbeitsintensiv und zum anderen ist es dort so einzigartig und die Wetterphänomene sind so faszinierend, dass ich gar nicht auf negative Gedanken gekommen bin, berichtet Ludewig. Auch fachlich ist sie für den Sonnblick bestens gerüstet: „Forschung und Messprogramme sind sehr ähnlich in der Antarktis und im Observatorium. Hier kümmere ich mich neben den Messungen noch um die Finanzierung und andere geschäftliche Dinge, sagt die engagierte Leiterin, die in der Zentralanstalt für Meteorologie und Geondynamik (ZAMG) in Salzburg stationiert ist. „Ich versuche aber mindestens einmal pro Woche auf dem Sonnblick zu sein und an den vielen beeindruckenden Forschungsprojekten möglichst nah dran zu sein und mich natürlich möglichst gut mit meinen Mitarbeitern abzustimmen, so die erfahrene Forscherin. REP_200601_30 (mw/kg)

Forschung; Haslauer; Pinzgau
Info

•Das Observatorium gehört dem Sonnblick Verein, Betreiber ist die Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG).

•Die Wetterwarte beobachten und messen in 3.106 Meter Seehöhe. Die exponierte Lage am Alpenhauptkamm liefert besonders aufschlussreiche Ergebnisse.

•Seit 1886 wird das Wetter am Rauriser Sonnblick beobachtet und aufgezeichnet, das ist weltweit einzigartig. Das Observatorium war in diesen Jahren nur an wenigen Tagen nicht besetzt.

•Die Wetterwarte arbeiten in Schichten teils unter schwierigsten Bedingungen im hochalpinen Gelände sieben Tage die Woche. Alle 14 Tage ist Schichtwechsel.

•In die neue Seilbahn wurden vier Millionen Euro investiert. Beteiligt sind der Sonnblick Verein, das Ministerium und das Land Salzburg.

•Am Sonnblick wird international geforscht, Messreihen werden durchgeführt. Vergleichbare Stationen befinden sich am Jungfraujoch, auf der Zugspitze, aber auch am Mauna Loa in Hawaii. Die Daten aus Rauris sind aber besonders gefragt, wenn es um den Klimawandel, Gletscherforschung und eventuelle Prognosen geht.