Autor:
Mario Scheiber,
Fotos:
Otto Wieser, Salzburger Festspiele/Matthias Horn, Freies Deutsches Hochstift/Frankfurter Goethe-Museum, Nachlass Hofmannsthal, Alexander Paul Englert
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Kultur

Happy Birthday, Jedermann-Erfinder!

Spätestens Anfang Juli zu Probenbeginn schallen jedes Jahr die Jedermann-Rufe laut durch die Salzburger Altstadt. Das Spiel vom Sterben des reichen Mannes auf dem Domplatz ist untrennbar mit der Mozartstadt verbunden und wohl das bekannteste Werk von Hugo von Hofmannsthal. Er hätte am 1. Februar seinen 150. Geburtstag gefeiert. Aber den österreichischen Schriftsteller nur auf den „Jedermann“ zu reduzieren, würde ihm nicht gerecht werden. Mehr als 800 Werke, viele davon unvollendet, hat Hofmannsthal in seinem Leben geschrieben.
 

Die Buhlschaft, der Tod, Tizianello, Stani oder Jaromir. Das sind nur fünf Figuren aus Hofmannsthals Stücken, die bis heute die Zuschauerinnen und Zuschauer in den Theatern sowie Leserinnen und Leser in die Welt der Literatur entführen. Das Gesamtwerk des gebürtigen Wieners umfasst 40 Bände.

Kongeniale Zusammenarbeit

Seine Arbeit war geprägt von enger Zusammenarbeit mit anderen bedeutenden Künstlern seiner Zeit. Vor allem mit Max Reinhardt in punkto Theater und mit Richard Strauss im Bereich Opern. So stammen etwa sechs Opernlibretti für Strauss aus der Feder Hofmannsthals. Das bekannteste ist wohl jenes für den Rosenkavalier. Vor allem für Salzburg war diese Kooperation bedeutend, sind doch so auch die Festspiele entstanden, die er mitbegründet hat.

Salzburg im Herzen

Salzburg hatte stets einen besonderen Platz in Hofmannsthal Herzen. Viele seiner Stücke wurden in Salzburg, auch im Rahmen der Festspiele, aufgeführt. Bekannt sind seine Festspiel-Essays, die er in den Gründungsjahren verfasst hat und hier gezielt unterschiedliche Publikumsschichten eingeladen hat, in die Mozartstadt zu kommen. Auch seine letzte Arbeit zu Lebzeiten widmete er Salzburg. Unmittelbar vor seinem tragischen Tod gab er 1929 die Druckfreigabe für einen Artikel zu Salzburg in einer Zeitschrift.

„Verfälschter" Jedermann

Neben dem Festspiel-Jedermann auf dem Domplatz wird regelmäßig im ländlichen Raum auch das Stück in Mundart aufgeführt. Es ist aber nicht die Version des Wieners, sondern jene von Franz Löser. Dieser hatte Hofmannsthal vorher nicht gefragt, ob er seinen Text verwenden durfte, sondern ihn vor vollendete Tatsachen gestellt. Aus Briefen und Überlieferungen weiß man, dass Hofmannsthal sehr empört über dieses Vorgehen war. Heute wird die Mundart-Version noch in Zell am See oder auch in Faistenau aufgeführt.

Salzburg war für Hofmannsthal sehr wichtig, vor allem die Zusammenarbeit mit Max Reinhardt.
Katja Kaluga, Hofmannsthal-Expertin

​24 Jahre Hofmannsthal-Expertise

Intensiv mit Hofmannsthal beschäftigt sich Katja Kaluga. Die promovierte Literaturwissenschafterin ist Mitarbeiterin der Handschriftenabteilung des Freien Deutschen Hochstifts in Frankfurt, einem Teil des Goethe-Museums. Sie betreut unter anderem das Hofmannsthal-Archiv. Zuvor war sie Redakteurin und Mitherausgeberin der Kritischen Hofmannsthal-Ausgabe und hat bei verschiedenen Ausstellungen mitgewirkt. Als Gastkuratorin ist sie gegenwärtig an der Ausstellung „Staging Hofmannsthal" im Theatermuseum Wien beteiligt. Im Gespräch mit dem Landes-Medienzentrum (LMZ) erklärt sie die Faszination des Literaten.

LMZ: Frau Kaluga, Sie beschäftigen sich seit rund 24 Jahren mit Hofmannsthal. Welchen Stellenwert hat er in der deutschsprachigen Literatur?

Kaluga: Hofmannsthal hat immer unterschiedliche Konjunkturen. Seine Opernlibretti und natürlich auch das Stück „Jedermann" haben einen unbestritten hohen Stellenwert. Über viele Jahre galt das auch für seine Lyrik, denn die Zeitgenossen spüren sofort den neuen Ton seiner lyrischen Sprache. Im Bereich des Theaters hat er viele Innovationen und Experimente vorangetrieben. Über seine Arbeitsweise, aber natürlich auch Privates, lässt sich vieles in unzähligen Briefwechseln mit Freundinnen und Freuden sowie Künstlerkolleginnen und –kollegen erfahren.

LMZ: Inwieweit beschäftigen Sie sich in Ihrer Arbeit mit Salzburg und welchen Stellenwert hatte Salzburg für Hofmannsthal?

Kaluga: Salzburg habe ich in meiner redaktionellen Arbeit über die Essays Hofmannsthals im Zuge der Bekanntmachung und Erklärung der Festspiele kennengelernt. Generell war Salzburg für Hofmannsthal ein Ort, an dem sich theatrales Geschehen und soziale Begegnungen im Rahmen der Festspiele überlagern. Die „Stadt als Bühne" war ein Gedanke, der ihn zeitlebens begleitete, hier realisierte er sich. 2021 tagte die Hofmannsthal-Gesellschaft während der Festspiele im Stefan-Zweig-Zentrum – man konnte ansatzweise selbst eine vergleichbare Erfahrung machen.

LMZ: Wie beurteilen Sie die Zusammenarbeit zwischen Max Reinhardt und Hugo von Hofmannsthal.

Kaluga: Salzburg war für Hofmannsthal sehr wichtig, vor allem die Zusammenarbeit mit Max Reinhardt. Sie funktionierte perfekt, und zusammen haben beide besondere Experimente im Theaterbereich gewagt. So gab es 1925 eine Vorstellungsserie in einer Kirche, eigentlich etwas Undenkbares.

LMZ: Welches ist Ihr persönliches Lieblingswerk oder Ihre Lieblingstextstelle von Hofmannsthal?

Kaluga: Im Bereich der Oper ist es der Rosenkavalier. Bei der Prosa ist es der unvollendete Roman „Andreas", bei dem es sich um eine Art ins Gegenteil verkehrten Bildungsroman handelt, der einen jungen Wiener in die unsichere Welt Venedigs führt. Man hat gleich nach dem Tod von Hofmannsthal versucht, den Text in eine lesbare Form zu bringen. Daher wurde viel zusammengestrichen. REP_240314_90 (msc/mel)

Kultur; Stadt Salzburg
Info

​Eckpunkte zu Hugo von Hofmannsthal:

  • Vollständiger Name: Hugo Laurenz August Hofmann Edler von Hofmannsthal
  • Lebensdaten: Geboren am 1. Februar 1874 in Wien, gestorben am 15. Juli 1929 in Rodaun bei Wien
  • Mitbegründer der Salzburger Festspiele und 1925 Gründer der Freunde der Salzburger Festspiele.
  • Mehr als 800 Werke, viele davon unvollendet
  • Im S. Fischer Verlag ist die Kritische Ausgabe sämtlicher Werke Hofmannsthals erschienen. Sie umfasst 40 Bände, dokumentiert rund 800 Werke sowie sämtliche Gedichte und wurde 2022, nach rund 50 Jahren, abgeschlossen.
  • Hofmannsthals Nachlass befindet sich zu großen Teilen im Freien Deutschen Hochstift und in der Houghton Library in Harvard sowie in Bibliotheken und Archiven in Österreich, Deutschland und Großbritannien.
  • Ausstellungen im Hofmannsthal-Jubiläumsjahr:
    • „Staging Hofmannsthal" im Theatermuseum Wien (bis 19. August 2024)
    • „Hofmannsthal. Szenen" im Freien Deutschen Hochstift in Frankfurt (3. Oktober 2024 bis 5. Januar 2025)