EU-weiter Behindertenausweis

Kommission schlägt Europäischen Behindertenausweis und Parkausweis für Menschen mit Behinderungen mit EU-weiter Gültigkeit vor

Gemäß Artikel 20 (2) a) AEUV haben Unionsbürgerinnen und Unionsbürger „das Recht, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten“. Menschen mit Behinderung wird dieses Recht auf Freizügigkeit bisher aber oft durch strukturelle Hindernisse und systemische Ungleichheiten de facto verwehrt, weil ihr Behindertenstatus nicht in allen EU-Staaten anerkannt wird, oder weil sie dort keinen Zugang zu denselben Sonderkonditionen haben, die sie in ihrem Herkunftsland genießen, wie z.B. einen kostenlosen oder vorrangigen Eintritt, reduzierte Eintrittspreise, persönliche Assistenz oder reservierte Parkplätze. 
Die geschilderten Hürden sowie zusätzliche Kosten für ihren Betreuungsaufwand sind für Personen mit Behinderungen oft Anlass, nicht oder nur eingeschränkt innerhalb der EU zu verreisen. Sie können ihr Recht auf Freizügigkeit im Vergleich zu Menschen ohne Behinderung nur eingeschränkt ausüben.

Aufbauend auf den Ergebnissen der Europäischen Strategie zugunsten von Menschen mit Behinderungen 2010-2020 hat die Europäische Kommission im März 2021 die Strategie für die Rechte von Menschen mit Behinderungen 2021-2030 vorgelegt. Für diese Personen soll damit das Leben in Europa verbessert und ihnen eine uneingeschränkte Teilnahme am gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Leben ermöglich werden. Die Umsetzung der EU-Strategie wird in Österreich im Nationalen Aktionsplan Behinderung 2022-2030 beschrieben.

Der Richtlinienvorschlag im Überblick

Im Vorlauf zu dem Kommissionsvorschlag für eine Richtlinie über die Einführung eines Europäischen Behindertenausweise und eines EU-Parkausweises für Menschen mit Behinderungen wurden die Umsetzungsmodalitäten und Harmonisierungsbedarf zunächst in einem Pilotprojekt erprobt, das aus EU-Mitteln durch den CERV-Fonds finanziert wurde und an dem Belgien, Zypern, Estland, Frankreich, Italien, Malta, Rumänien und Slowenien teilgenommen hatten. Auf der Grundlage der Ergebnisse des Pilotprojektes sowie der Rückmeldungen auf eine EU-weite öffentliche Konsultation der Europäischen Kommission, zu der 3.300 Rückmeldungen erfolgt sind (78 % von Personen mit Behinderung) hat die Europäische Kommission am 6. September 2023 einen  Entwurf für eine Richtlinie  für einen Europäischen Behindertenausweis und einen EU-Parkausweis für Menschen mit Behinderungen (die deutsche Sprachfassung erscheint in Kürze) vorgelegt.

Folgende Maßnahmen sind im Vorschlag der Kommission vorgesehen
  • Einführung eines einheitlichen Europäischen Behindertenausweises sowie die  Verbesserung und Vereinheitlichung des bestehenden Europäischen Parkausweises, wobei nationale Ausweise nicht ersetzt, sondern diese nur adaptiert werden sollen;
  • gegenseitige Anerkennung des Europäischen Behindertenausweises in allen EU-Mitgliedstaaten, um einen in allen EU-Staaten einheitlichen Zugang zu Sonderkonditionen sicherzustellen;
  • die Mitgliedstaaten werden dazu verpflichtet, die für die Ausstellung von Europäischen Behinderten- und Parkausweisen zuständigen Behörden zu benennen, um einen gleichberechtigten, barrierefreien und transparenten Zugang zur Antragstellung sicherzustellen;
  • barrierefreie (physisch und digital), kostenlose und nutzerfreundliche Bereitstellung von Informationen durch private und öffentliche Einrichtungen in den EU-Mitgliedstaaten zu Sonderkonditionen für Menschen mit Behinderungen, z.B. Informationen zu ausgewiesenen Behindertenparkplätzen;
  • Verringerung des Verwaltungsaufwandes.

Die nächsten Schritte

Der Vorschlag der Europäischen Kommission ist gem. Art. 294 AEUV Gegenstand des Ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens und wird nun im Europäischen Parlament und Rat behandelt.
Nach Annahme des Vorschlags wird der endgültige Gesetzestext im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht. Die Kommission schlägt als Umsetzungfrist für die Mitgliedstaaten in innerstaatliches Recht die Dauer von 18 Monaten vor.