Kommission schlägt Reform des EU-Strommarktes vor

​Die Europäische Kommission hat am 14. März 2023 den seit langem erwarteten Vorschlag zur Reform des EU-Strommarktes vorgelegt.

Die Energiepreise sind in den Jahren 2021 und 2022, insbesondere nach dem Beginn des russischen Krieges gegen die Ukraine, erheblich gestiegen. Um auf diese enorme Belastung für Haushalte und Betriebe zu reagieren, hat die Kommission im Laufe des letzten Jahres ein breites Maßnahmenpaket präsentiert. Es umfasst unter anderem fünf Dringlichkeitsverordnungen zu Themen wie der Senkung der Gasnachfrage, der gemeinsamen Gasbeschaffung und dem beschleunigten Ausbau erneuerbarer Energien. Um die durch die Krise aufgezeigten Defizite des europäischen Strommarktes auch langfristig zu beheben, hat EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen vergangenes Jahr in ihrer Rede zur Lage der Union am 14. September 2022 eine Strukturreform des Strommarktes angekündigt. 
Der heute vorgelegte Vorschlag sieht eine Überarbeitung mehrerer EU-Rechtsvorschriften vor, insbesondere der Elektrizitätsverordnung (Verordnung (EU) 2019/943), der Elektrizitätsrichtlinie (Richtlinie (EU) 2019/944) und der REMIT-Verordnung (Verordnung (EU) Nr. 1227/2011). Insgesamt zielt die Reform darauf ab, die Volatilität auf den Strommärkten zu verringern, indem der Schwerpunkt verstärkt auf langfristige Verträge und den Ausbau erneuerbarer Energien gelegt wird. Ein wesentlicher Teil der Reform ist zudem ein verstärkter Schutz von Verbraucherinnen und Verbrauchern.

Die Reform ist nicht so weitreichend, wie es sich einige Mitgliedstaaten wie Frankreich oder Spanien gewünscht hätten. Nicht umfasst ist die ursprünglich angekündigte Entkopplung des Strompreises vom Gaspreis. Das sog. Merit-Order-Prinzip, wonach sich die Strompreise nach dem teuersten Anbieter richten, wird somit nicht abgeschafft.

Um Verbraucherinnen und Verbraucher besser vor Preisschwankungen zu schützen, sieht der Vorschlag die Möglichkeit einer breiten Vertragsauswahl, das Recht auf mehrere Verträge für unterschiedliche Zwecke sowie auf bessere und klarere Informationen vor Vertragsunterzeichnung vor. Verbraucherinnen und Verbraucher sollen die Möglichkeit bekommen, zwischen Festpreisverträgen sowie Verträgen mit dynamischen Preisen zu wählen. Auf diese Weise können sich Verbraucherinnen und Verbraucher entweder für sichere und langfristige Preise entscheiden, um die Auswirkungen plötzlicher Preisschocks abzumildern, oder sie können sich für eine dynamische Preisgestaltung entscheiden, wenn sie Preisschwankungen nutzen wollen, um Strom dann zu verbrauchen, wenn er günstiger ist (z.B. um Elektroautos aufzuladen oder Wärmepumpen zu betreiben).

Zudem wird ein neues Recht auf gemeinsame Nutzung erneuerbarer Energien für Haushalte sowie kleine und mittlere Unternehmen eingeführt. Dies ermöglicht es Verbraucherinnen und Verbrauchern, Strom an andere Verbraucherinnen und Verbraucher zu verkaufen oder zu verschenken sowie Erneuerbare-Energien-Anlagen zu mieten, zu pachten oder mitzubenutzen. Dies soll es auch Verbraucherinnen und Verbrauchern, die kein Dach besitzen oder sich die Investition in Solaranlagen nicht leisten können, ermöglichen, direkt von erneuerbaren Energien zu profitieren und ihre Stromrechnung unabhängig vom Gaspreis zu gestalten.

Der Vorschlag sieht überdies einen zusätzlichen Schutz bedürftiger Verbraucherinnen und Verbraucher vor. Die Mitgliedstaaten müssen bedürftige Haushalte, die in Zahlungsverzug geraten sind, künftig davor bewahren, dass ihnen der Strom abgestellt wird. Außerdem ermöglicht die Reform den Mitgliedstaaten, im Krisenfall regulierte Endkundenpreise an Haushalte und mittelständische Betriebe weiterzugeben.

Bevor die Reformvorschläge in Kraft treten können, müssen sie im Rahmen des ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens vom Europäischen Parlament und vom Rat erörtert und beschlossen werden.

© Pixabay