Politische Einigung auf gemeinsame Lösungen bezüglich des Protokolls zu Irland/Nordirland

Premierminister Rishi Sunak und Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen© Crown copyright. Licensed under the Open Government Licence
Die Europäische Kommission, vertreten durch Präsidentin Ursula von der Leyen, und das Vereinigte Königreich, vertreten durch Premierminister Rishi Shunak, haben am 27.2.2023 mit dem „Windsor Framework“ eine Einigung über den bereits seit dem Brexit-Votum vom 23.6.2016 schwelenden Konflikt zwischen dem EU-Mitglied Irland und dem zum Vereinigten Königreich gehörenden Nordirland erzielt.

Auslöser für diesen Konflikt war der Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union mit 31.1.2020. Die künftige Zusammenarbeit zwischen Großbritannien und der Europäischen Union wurde im Austrittsabkommens vom 24.1.2020 geregelt.
Um einen Konflikt zwischen Irland und Nordirland zu vermeiden, wurde in einer Vertragsklausel zum Brexit-Abkommen, dem Protokoll zu Irland und Nordirland (Nordirland-Protokoll), eine „harte“ Grenze zwischen beiden Ländern vermieden. Dieser Klausel entsprechend sollten an der Grenze zwischen Irland und Nordirland keine Zollkontrollen stattfinden, um wirtschaftliche Abläufe zwischen Irland und Nordirland ohne Behinderung zu ermöglichen und das Karfreitagsabkommen zu wahren. Der britische Teil auf der irischen Insel wurde somit weiterhin als Teil des EU-Binnenmarkts behandelt, was von der britischen Regierung abgelehnt wurde.

Bei den Verhandlungen zu einem neuen Abkommen, dem „Windsor-Framework“ vom 27.2.2023, wurden nun von beiden Vertragsparteien ihre jeweiligen politischen und wirtschaftlichen Interessen als legitim anerkannt, aber auch die Tatsache, dass die Umsetzung des Nordirland-Protokolls sich während der letzten beiden Jahre als schwierig erwiesen und zu Spannungen zwischen dem Vereinigten Königreich und der Europäischen Union geführt hat. Beide Seiten bekannten sich zur Notwendigkeit, eine Einigung zu erzielen, mit dem Ziel, die bilateralen Beziehungen auszubauen und das Potenzial des Handels- und Kooperationsabkommens zum Nutzen beider Parteien voll auszuschöpfen.

Das „Windsor-Framework“ enthält neue Regelungen zur Umsetzung des Nordirland-Protokolls, mit denen die bisherigen wirtschaftlichen Divergenzen nachhaltig und dauerhaft gelöst werden können.
Präsidentin von der Leyen spricht in ihrer Erklärung vom 27.3.2023  von „einem neuen Kapitel der Partnerschaft“ und fasst die Bedeutung dieses Abkommens wie folgt zusammen: „Außerdem wird dauerhaft sichergestellt, dass alle Arzneimittel, auch neuartige Arzneimittel, in Nordirland zur gleichen Zeit und unter den gleichen Bedingungen wie im übrigen Vereinigten Königreich erhältlich sind. Damit das funktioniert, haben wir uns auf Schutzmechanismen geeinigt wie IT-Zugang, Kennzeichnungspflichten und Durchsetzungsverfahren, um die Integrität des Binnenmarktes der Europäischen Union zu schützen. Durch den neuen Rahmen werden unsere jeweiligen Märkte und legitimen Interessen geachtet und geschützt.“

Die Lösung, die nun zwischen dem Vereinigten Königreich und der Europäischen Union durch das „Windsor-Framework" erzielt werden konnte, erleichtert den Waren- und Personenverkehr zwischen beiden Ländern und beruht einerseits auf einer flexiblen Auslegung des Nordirland-Protokolls zum Schutz der Wirtschaft und Bevölkerung Nordirlands und anderseits auf effektiven Sicherheiten zum Schutz des EU-Binnenmarktes.

Grundlage hierfür bilden beiderseits anerkannte Regelungen in Bezug auf den Datenaustausch, auf Zollbestimmungen, Agrarprodukte, Medikamente, Mehrwertsteuer (VAT), staatliche Beihilfe, vereinfachte Dokumentationspflichten sowie Maßnahmen, die sicherstellen sollen, dass die Anliegen der Bevölkerung Nordirlands besser wahrgenommen werden können. Der Warenaustausch zwischen Großbritannien und Nordirland wird mit dem Windsor-Framework weitestgehend erleichtert zum Nutzen der Bevölkerung Nordirlands und gleichzeitig wird Nordirland die Vorteile eines Zugangs zum europäischen Binnenmarkt gewährt.

Die Einigung zwischen der Europäischen Union und dem Vereinigten Königreich legt nicht nur den Grundstein für eine neue wirtschaftliche Verflechtung zwischen der Europäischen Union und dem Vereinigten Königreich und bietet Sicherheit und Stabilität für die in Nordirland lebende Bevölkerung sowie für die dort ansässigen Unternehmen, sondern hat auch eine bedeutende politische Wirkung.

Das „Windsor-Framework ist auch ein bedeutender Meilenstein im historischen Friedensprozess zwischen beiden Ländern, denn das Karfreitagsabkommen vom 10.4.1998, mit dem der Konflikt zwischen Irland und Nordirland beendet wurde, jährt sich in diesem Jahr zum 25. Mal.
Obwohl sich in diesem Konflikt zwei konfessionell geprägte Gruppen gegenüberstanden (das irisch-nationalistische und katholische Irland und die unionistischen Protestanten Nordirlands), hat dieser Konflikt einen politisch-wirtschaftlichen Hintergrund. Dieser Konflikt reicht zurück ins 12. Jahrhundert, als König Henry II (Regierungszeit 1154-1189) versuchte, seine Macht auf Irland auszuweiten, um die Westseite Großbritanniens zu schützen. Als im Jahr 1541 König Henry VIII (Regierungszeit 1509-1547) sich zum König von England und Irland ernannte, gründete er die anglikanische Kirche und versuchte, die Katholische Kirche in Nordirland zurückzudrängen. Um die irischen Aufstände zu unterdrücken, erfolgten ab 1609 Enteignungen („Plantation“) der irischen Bevölkerung und eine gezielte Ansiedelung von anglikanischen Königstreuen aus England und Schottland. Dieser Konflikt schwelte über Jahrhunderte und führte nach dem Irischen Unabhängigkeitskrieg 1921 zur Teilung der Insel in Irland und Nordirland und in den 1960er und 1970er Jahren zu zahlreichen Terroranschlägen durch die IRA (Irish Republican Army) und den Ulster Freedom Fighters in Irland, Nordirland und England. Mit dem Karfreitagsabkommen wurde dieser Konflikt beigelegt, drohte aber in Folge des Brexit-Abkommens und der im Nordirland-Protokoll nicht gelösten Probleme wieder aufzuflammen.
Das „Windsor-Framework“ trägt daher auch zu einem dauerhaften Frieden zwischen Irland und Nordirland bei.  

Weiter Infos sind dem Factsheet  und der Memo (Q&A) zu entnehmen.