Soziale Säule: Rat beschließt Errichtung einer Europäischen Arbeitsbehörde

Am 31. Juli 2019 sind
in der Europäischen Union in Kraft getreten. Die Gründung der Europäischen Arbeitsbehörde (ELA) wurde vom Rat am 13. Juni 2019 beschlossen. Sie soll eine faire und wirksame Durchsetzung der EU-Vorschriften über die Mobilität von Arbeitskräften sicherstellen.
Einen Zusatznutzen erwartet die Europäische Kommission von der ELA weiters bei der Unterstützung der Mitgliedstaaten im Zuge der Koordinierung der nationalen Systeme der sozialen Sicherheit am EU-Binnenmarkt.


EU-Richtlinie regelt neuartige Beschäftigungsverhältnisse am EU-Binnenmarkt

Die EU-Richtlinie für transparente Arbeitsbedingungen am EU-Binnenmarkt regelt insbesondere  neue Vertragsverhältnisse für abhängig Beschäftigte (z.B. so genannte Nullstundenverträge). Ebenso haben sich EU-Parlament und Rat auf gemeinsame Regeln für Hausangestellte geeinigt.
Die Richtlinie bietet mehr Transparenz für die Regelung von (teils grenzüberschreitenden) Beschäftigungsverhältnissen am EU-Binnenmarkt. Geregelt werden u.a.
  • die Höchstdauer für die Probezeit zu Beginn des Beschäftigungsverhältnisses,
  • die Mindestplanbarkeit der Arbeit mit angemessener Vorlaufzeit für abhängig Beschäftigte (z. B. Bereitschaftsdienste) und
  • Mindestvorschriften für so genannte Null-Stunden-Verträge.
Die Richtlinie muss nun von den Mitgliedstaaten in nationales Recht umgesetzt werden. Sie gilt EU-weit spätestens ab 1. August 2022 für alle Arbeitsverhältnisse und löst so die Vorgänger-Richtlinie von 1991 (Richtlinie 91/533/EWG) ab.

Modernisierung der Koordination der nationalen Sozialversicherungssysteme am EU-Binnenmarkt in der Schwebe

Am 3. September 2019 befasste sich der Ausschuss für Beschäftigung und Soziales im Europäischen Parlament mit dem Stand der Verhandlungen für eine Modernisierung der Koordination der nationalen Sozialversicherungssysteme am EU-Binnenmarkt.
EU-Kommissarin Marianne Thyssen, deren Amtszeit am 31. Oktober 2019 ausläuft, plädierte in der Debatte mit den neu gewählten EU-Parlamentarierinnen und EU-Parlamentariern für eine Fortsetzung der Verhandlungen mit dem Rat ("Triloge"). Eine Wiederaufnahme des Verfahrens durch das neu gewählte Europäische Parlament böte eine wichtige Chance für einen zügigen Abschluss der seit 2016 unternommenen Anstrengungen für das Erzielen eines Kompromisses, mit dem alle Seiten, d.h. Europäisches Parlament und die im Rat versammelten Mitgliedstaaten leben können sollten. Thyssen hob hervor, dass den Verhandlungspartnern im März 2019 – kurz vor den EU-Wahlen im Mai 2019 – schlicht die Zeit ausgegangen sei. Eine Einigung über einen Kompromisstext für eine Modernisierung der Koodinierung der nationalen Sozialversicherungssysteme mit den im Rat vertretenen Mitgliedstaaten habe damals kurz bevor bestanden.
Die Koordinierung der Sozialversicherungssysteme regelt, unter welches Recht die Sozialversicherungsleistungen und –ansprüche von natürlichen Personen fallen. Die Art der Regelung der Sozialversicherungsvorschriften und möglicher entstehender Anrechte in den Sozialversicherungssystemen der EU-Mitgliedstaaten wird damit nicht angetastet.
Mit dem Koordinierungssystem für die Systeme der sozialen Sicherheit der EU-Mitgliedstaaten soll die Umsetzung der vier bei Gründung der Europäischen Gemeinschaften vereinbarten Grundfreiheiten,
  • die Freizügigkeit von Personen,
  • die Freizügigkeit von Waren und Dienstleistungen,
  • die Niederlassungsfreiheit für Unternehmen, Selbstständige und Freiberufler sowie
  • die Freizügigkeit von Kapital,
unterstützt werden.
Mit der Koordinierung der 28 nationalen Sozialversicherungssysteme geht einher, dass die Zuständigkeiten klar auf Ebene der Mitgliedstaaten verankert bleiben. Anders als bei einer EU-weiten Harmonisierung von gesetzlichen Vorschriften werden hier keine Rechtsangleichungen in den EU-Mitgliedstaaten vorgenommen. Europäerinnen und Europäer können jedoch zugleich als Selbstständige, als Unternehmer und als abhängig Beschäftigte ihr in den EU-Verträgen verbrieftes Recht auf Freizügigkeit am gemeinsamen Binnenmarkt wahrnehmen, ohne dass der Sozialversicherungsschutz (z.B. durch etwaige Regelungslücken) unterbrochen wird oder verloren geht und auch ohne überlappende Ansprüche (in den Sozialversicherungssystemen mehrerer Mitgliedstaaten) zu akkumulieren. Davon erfasst werden alle Zweige der sozialen Sicherheit (Alters-, Arbeitslosen- und Familienleistungen).
Geregelt werden im Zuge der Koordinierung der Sozialen Systeme der Mitgliedstaaten die Zuständigkeiten und Informationspflichten der nationalen und regionalen Stellen untereinander:
  • Welche Stelle ist zu welchem Zeitpunkt auskunftspflichtig bzw. hat das Recht auf eine Auskunftserteilung (z.B. über den Sozialversicherungsstatus einer Person)?
  • Welche Stelle ist zu welchem Zeitpunkt zuständig (z.B. wo müssen Sozialversicherungsbeiträge geleistet werden, wo können Sozialversicherungsleistungen bezogen werden, welches Sozialversicherungsrecht gilt für Personen, die in mehreren Mitgliedstaaten arbeiten)?
Diese Art der Koordination ist u.a. auch für die Bekämpfung von Schwarzarbeit hilfreich. Insgesamt soll so für Unternehmen, für Selbstständige, für Arbeitgeber und deren Beschäftigte sichergestellt werden, dass stets der Sozialversicherungsschutz eines Mitgliedstaates gilt.
Seit 1959 wurde die Koordinierung der Sozialversicherungssysteme mehrfach dem aktuellen Bedarf eines stets weiter zusammenwachsenden EU-Binnenmarktes angepasst. Da die derzeit geltenden Regelungen in diesem Bereich zuletzt 2004 (Verordnung (EG) Nr. 883/2004) bzw. 2009 (Verordnung (EG) Nr. 987/2009) novelliert wurden, hat die EU-Kommission am 13. Dezember 2016 einen Vorschlag zur Moderniersierung der Koordination der Systeme der sozialen Sicherheit vorgelegt.
Über diesen Vorschlag beraten seitdem die beiden Ko-Gesetzgeber der EU, das Europäische Parlament und die im Rat der Europäischen Union versammelten Vertreterinnen und Vertreter der EU-Mitgliedstaaten. Die Verhandlungen wurden bis kurz vor den Wahlen zum Europäischen Parlament im Mai 2019 intensiv vorangetrieben und konnten noch nicht abgeschlossen werden. Rat und Europäisches Parlament müssen jedoch zu einem gemeinsamen Ergebnis kommen, da der Modernisierungsvorschlag der Kommission Gegenstand des so genannten Ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens der Europäischen Union ist. Dieses Mitentscheidungsverfahren auf EU-Ebene sieht vor, dass das Europäische Parlament und die im Rat der Europäischen Union versammelten Mitgliedstaaten als Ko-Gesetzgeber zusammen an dem Zustandekommen eines EU-Gesetzes mitwirken, das zuvor von der Europäischen Kommission vorgeschlagen wurde.
Nachdem sich das neu gewählte EU-Parlament im Juli 2019 neu konstituiert hat, haben die EU-Abgeordneten Anfang September 2019 ihre inhaltliche Arbeit wieder aufgenommen. Darum steht für die neu gewählten EU-Abgeordneten nun die Frage im Raum, ob und, wenn ja, wie das im März 2019 unterbrochene Verfahren vom neuen EU-Parlament wiederaufgenommen werden kann/sollte. Ein wichtiges Kriterium für die Abwägung im Europäischen Parlament ist, ob eine Einigung zwischen Rat und Europäischem Parlament möglich bzw. in Reichweite ist.
Zu dieser Frage haben sich daher die im Ausschuss für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten im Europäischen Parlament versammelten EU-Abgeordenten am 3. September 2019 mit EU-Kommissarin Marianne Thyssen ausgetauscht.
Im Zuge der Debatte gab es von Seiten der EU-Abgeordneten sowohl Stimmen, die einen Rückzug des Kommissionsvorschlages forderten, als auch Stimmen, die ein beschleunigtes Verfahren für einen schnellen Abschluss des Dossiers befürworteten. Die Entscheidung über die weitere Vorgangsweise des Europäischen Parlaments darf im Herbst 2019 erwartet werden.

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