Europäisches Semester: „Länderbericht“ stellt Österreich gutes Zeugnis aus

Europäische Kommission regt Investitionsprioritäten für die EU-Förderperiode 2021-2027 an

Am 27. Februar 2019 hat die Europäische Kommission (EK) ihre jährliche Bewertung der wirtschaftlichen und sozialen Lage in den EU-Mitgliedstaaten vorgelegt. Das so genannte „Winterpaket" ist Teil des „Europäischen Semesters", bei dem die Europäische Kommission im kontinuierlichen Dialog mit den EU-Mitgliedstaaten die makroökonomische Großwetterlage in den EU-Mitgliedstaaten beobachtet, um so bevorstehende volkswirtschaftliche Herausforderungen frühzeitig zu erkennen und bei Bedarf geeignete Maßnahmen anzuregen. Besonderes Gewicht legen die Kommissionsberichte dabei auf Fragen, wie z.B.:
  • Wo gibt es einen besonderen Bedarf, Investitionen zu fördern?
  • Welche Maßnahmen könnten im Sinne einer verantwortungsvollen Haushaltspolitik ergriffen werden?
  • In welchen Bereichen könnten Reformen erforderlich werden?
Das Winterpaket 2019 zeichnet für die EU-Mitgliedstaaten ein sehr uneinheitliches Bild, entsprechend unterschiedlich fallen die Analysen der Europäischen Kommission für die Mitgliedstaaten aus. Diese Analysen werden von der EU-Kommission für jeden Mitgliedstaat in einem so genannten „Länderbericht" zusammengefasst.

Der rund 80 Seiten umfassende Länderbericht zu Österreich stellt bei den öffentlichen Finanzen eine Verbesserung fest: Für das öffentliche Gesamtdefizit, das im Jahr 2017 vor dem Hintergrund des Konjunkturaufschwungs auf 0,8 % des BIP gesunken war, erwartet die EK einen weiteren Rückgang, der sich 2020 in einen Überschuss von 0,1 % des BIP umkehren könnte, sofern die jetzt gesetzten Maßnahmen unverändert fortgeführt werden. Die positive Entwicklung ist lt. EK-Analyse auf ein unerwartet hohes Niveau von Steuereinnahmen und Beschäftigung zurückzuführen. Prognostiziert wird, dass der öffentliche Schuldenstand seinen Abwärtspfad fortsetzen und von 78,3 % des BIP im Jahr 2017 auf 67,8 % des BIP im Jahr 2020 sinken kann.
Handlungsbedarf beschreibt die EK in ihrem Länderbericht für Österreich unter anderem bei der Ausrichtung der (öffentlichen und privaten) Investitionen auf die Bereiche Innovation, Digitalisierung, Nachhaltigkeit, Kinderbetreuung und Kompetenzen. Hier sei eine wichtige Triebfeder für Österreichs Produktivität und Wachstum zu sehen. Aktuell liegt Österreichs Investitionsquote der EK-Analyse zufolge zwar über dem EU-Durchschnitt, erwartet wird hier jedoch ein Rückgang des Investitionsniveaus.
Kritisch sieht die EU-Kommission, dass hohe Investitionen in Forschung und Entwicklung nicht in vollem Umfang ihren Niederschlag in Innovationsergebnissen finden. Digitale Technologien würden – insbesondere in kleinen und mittleren Unternehmen – bis jetzt nicht umfassend eingesetzt. Durch eine Steigerung der Energieeffizienz und des Anteils erneuerbarer Energien ließe sich nach Einschätzung der EU-Kommission das Potenzial für nachhaltiges Wachtum in Österreich ankurbeln.
Weitere mögliche Maßnahmen sieht die EU-Kommission bei Investitionen im Bereich beruflicher Kompetenzen, in eine erschwingliche Ganztagskinderbetreuung und in Ganztagsschulen. Hier formuliert der Länderbericht ein Potenzial, die Teilhabe am Beschäftigungsmarkt, insbesondere für benachteiligte Gruppen und Frauen, weiter zu steigern.
Gegen Ende des Länderberichts (Anhang D, S. 73 bis 76) werden ausgehend von der Analyse des Investitionsbedarfs und den in dem Bericht skizzierten Herausforderungen von der EU-Kommission die Hauptprioritäten für die Unterstützung durch den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung und den Europäischen Sozialfonds Plus im Zeitraum 2021-2027 skizziert. Der Schwerpunkt wird dabei auf die Politikziele
  • innovativer und intelligenter wirtschaftlicher Wandel
  • ein grüneres CO2-armes Europa – saubere Energien und eine faire Energiewende
  • ein soziales Europa – Umsetzung der europäischen Säule sozialer Rechte
  • ein bürgernäheres Europa durch die Förderung einer nachhaltigen und integrierten Entwicklung von städtischen und ländlichen Gebieten und lokaler Initiativen gelegt.
Bei den Reformprioritäten geht der Länderbericht zudem ausführlich auf die Mittelausstattung und Mittelzuweisungen für die öffentlichen Haushalte auf nationaler, regionaler und lokaler Ebene ein. Beleuchtet wird so z.B. die Frage des in Folge des demographischen Wandels zu erwartenden künftigen Anstiegs von Ausgaben für das Pensions- und Gesundheitssystem sowie im Bereich Pflege.
Die aktuelle Analyse der länderspezifischen Herausforderungen erfolgt vor dem Hintergrund, dass die europäische Wirtschaft 2019 voraussichtlich im siebten Jahr in Folge wachsen wird, allerdings erwartet die EU-Kommission für die EU eine Beruhigung des Wachstumstempos.
EU-weit ist die Beschäftigung auf einem Rekordhoch, die Arbeitslosenquote so niedrig wie nie zuvor. Der Schuldenstand der öffentlichen Haushalte hat sich in der EU allgemein verbessert.
Das gemeinsame Verfahren des „Europäischen Semesters" von EU-Kommission und EU-Migliedstaaten wurde im Jahr 2011 als Reaktion auf die Folgen der Wirtschaftskrise 2008 eingeführt.
Nach der Veröffentlichung des Jahreswachstumsberichts und der Empfehlung zur Wirtschaftspolitik des Euro-Währungsgebiets im November 2018, in denen die Prioritäten auf europäischer Ebene dargestellt sind, liegt der Schwerpunkt der jetzt veröffentlichten 28 „Länderberichte" auf der nationalen Dimension des Europäischen Semesters. Sie enthalten eine detaillierte Analyse der länderspezifischen wirtschaftlichen und sozialen Herausforderungen und dienen als Grundlage für die Gespräche mit den Mitgliedstaaten über deren politische Strategien. Als nächstes legt jeder EU-Mitgliedstaat nun seinerseits einen Nationalen Strategieplan vor, der auf die im Länderbericht formulierten Herausforderungen eingeht.

Als Teil des Winterpakets 2019 nahm die Kommission auch das Arbeitsprogramm 2019 des „Programms zur Unterstützung von Strukturreformen" an. 2019 werden im Rahmen des Programms 26 Mitgliedstaaten technische Unterstützung bei der Durchführung von mehr als 260 Projekten erhalten. Schon in den Jahren 2017 und 2018 wurden bereits mehr als 290 Projekte unterstützt.
Das „Winterpaket" ist Teil des jährlichen Zyklusses für die Koordinierung der Wirtschaftspolitiken auf EU-Ebene, der als „Europäisches Semester" bezeichnet wird. Es folgt auf die Veröffentlichung des Jahreswachstumsberichts 2019 und auf die Empfehlung für das Euro-Währungsgebiet im November, die das so genannte „Herbstpaket" bilden, in dem die Prioritäten für das bevorstehende Jahr auf europäischer Ebene dargestellt sind. Beim Winterpaket liegt der Schwerpunkt auf der nationalen Dimension des Europäischen Semesters. Die Länderberichte bilden die Grundlage für die Ausarbeitung der „nationalen Reformprogramme" durch die Mitgliedstaaten bis Mitte April und für die im Frühjahr anstehenden „länderspezifischen Empfehlungen" der Europäischen Kommission („Frühjahrspaket").

Anders als frühere Länderberichte legt das Winterpaket 2019 ein besonderes Gewicht auf die Investitionsprioritäten in den Regionen der Mitgliedstaaten. Dies stellt eine besondere Herausforderung dar, da die Regionen in den EU-Mitgliedstaaten bisher nicht systematisch in das Verfahren zum Europäischen Semester eingebunden werden. Der Ausschuss der Regionen (AdR), der das EU-Gremium der Regionen, Städte und Gemeinden in der EU ist, hat sich hierzu bereits verschiedentlich in Stellungnahmen geäußert, zuletzt im Dezember 2016, und in einer vom AdR in Auftrag gegebenen Studie von 2017. Da mit der Aufnahme der Investitionsprioritäten 2021-2027 potenziell Kompetenzen der Regionen im Zuge der Verwaltung von EU-Mitteln berührt werden, wird sich der Ausschuss der Regionen zu dem neuen Aspekt des Europäischen Semesters äußern. Die Stellungnahme wird derzeit in der AdR-Fachkommission für Wirtschaftspolitik vorbereitet und soll am 10. April 2019 im AdR-Plenum beschlossen werden. 

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