Musikpreis Salzburg 2006 – Preisträger



Salvatore Sciarrino - eine der faszinierendsten Komponistenpersönlichkeiten unserer Zeit - ist der erste Preisträger des "Musikpreis Salzburg".


Die Vergabe des Preises an Salvatore Sciarrino geht auf einen Vorschlag der mit Prof. Hans Landesmann (ehemaliger Konzertchef der Salzburger Festspiele), Josephine Markovits (Leiterin des international renommierten Pariser Festival d'Automne) und Dr. Peter Hagmann (Musikkritiker der Neuen Zürcher Zeitung) besetzten Jury zurück. Der Würdigungspreisträger 2006 wird in der Jury des nächsten " Musikpreis Salzburg" (2009) vertreten sein.


Salvatore Sciarrino; Bildrechte Landespressebüro


Die Jury fasste ihren Beschluss einstimmig und begründete ihre Entscheidung folgendermaßen:


Salvatore Sciarrinos eigene, unverkennbare musikalische Sprache


"Salvatore Sciarrino, 1947 in Palermo geboren, hat als Komponist seine ganz eigene, unverkennbare Sprache gefunden; in prononcierter Weise kündet diese Sprache von den Möglichkeiten, welche sich die Musik jenseits der seriellen Ästhetik erschlossen hat.


Sciarrinos musikalische Handschrift lebt zunächst vom leisen Klang, der in der vielfältigsten Weise differenziert wird; sie erhebt damit in ihrer Weise Einspruch gegen den zunehmenden Lärm in unserer Umwelt. Weiter zeichnet sich Sciarrinos Musik durch eine neue Gewichtung der Parameter aus; nicht die Tonhöhe bildet ihr Zentrum, viel stärker geht sie von der Klangfarbe aus - und indem sie dabei Aspekte des Geräuschhaften integriert, schafft sie sich zusätzliche Erweiterungen. Ausgeprägt ist in Sciarrinos Musik schließlich die spannungsvolle Beziehung zwischen liegenden Klängen und kleinen schnellen Bewegungen, das Ineinandergreifen von Reglosigkeit und gespannter Nervosität. Mit all dem schließt sich Sciarrino in sehr persönlicher Weise jener Ästhetik an, die von Luigi Nono begründet und von Komponisten wie Helmut Lachenmann und Beat Furrer weitergeführt worden ist.


In kontinuierlicher Arbeit hat Salvatore Sciarrino ein umfangreiches Oeuvre geschaffen, das zwischen dem instrumentalen Solostück und der Oper ein breites Spektrum an Gattungen abdeckt. Besonders bekannt geworden ist die Arbeit mit einzelnen Instrumenten, wie sie etwa die "Sei capricci für Violine" (1976) zeigen. Auf breite Aufmerksamkeit ist aber auch ein Stück für Musiktheater wie "Luci mie traditrici" (1998) gestoßen, das sich von narrativen Prinzipien abwendet, in der Musik vielmehr ausschließlich die inneren Befindlichkeiten der Figuren spiegelt  und damit hohe sinnliche Wirkung erzielt. Und so wie er in seinem ästhetischen Denken, von dem zahlreiche Schriften zeugen, auf Anregnungen aus der klassischen Philosophie zurückgreift, hat sich Sciarrino als Komponist kreativ mit der musikalischen Vergangenheit auseinandergesetzt zum Beispiel mit einer Reihe neuer Kadenzen zu Instrumentalkonzerten Mozarts, die er in "Cadenzario" für Orchester mit Solisten (1991) in einem eigenen Stück weiterentwickelt hat."


Biografie Salvatore Sciarrino:


Salvatore Sciarrino, 1947 in Palermo geboren, ist stolz darauf, frei und keiner Musikrichtung zuzuordnen zu sein. Er begann im Alter von zwölf Jahren als Autodidakt zu komponieren. 1962 kam es zur ersten öffentlichen Aufführung eines seiner Werke. Sciarrino betrachtet seine ersten Werke bis 1966 als harte Lehrzeit, in der sich sein persönlicher Stil entwickelte. Seine umfassende Werkliste wird in einem ständigen kreativen Prozess weiter entwickelt. Nach Abschluss der klassischen Schulbildung und einigen Jahren des Universitätsstudiums übersiedelte Sciarrino 1969 nach Rom und 1977 nach Mailand. Seit 1983 lebt er in Città di Castello.


Unter anderem komponierte er für das Teatro alla Scala, RAI, den Maggio Musicale Fiorentino, die Biennale di Venezia, das Teatro La Fenice, die Oper von Genua, die Arena di Verona, die Oper von Stuttgart, La Monnaie (Brüssel), die Oper Frankfurt, Concertgebouw (Amsterdam), das London Symphony Orchestra, Suntory Hall (Tokyo) und für folgende Festivals: Schwetzingen, Donaueschingen, Witten, Salzburg, New York, Wien Modern, Wiener Festwochen, Berliner Festspiele  Musik Biennale, Holland Festival, Alborough, Festival d'Automne à Paris, Ultima (Oslo).


Seine Werke von 1969 bis 2004 sind bei  Ricordi verlegt und seit 2004 exklusiv bei RAI Trade. Sciarrino kann eine umfangreiche Diskographie vorweisen. Seine Kompositionen sind auf 70 CDs bei verschiedenen internationalen Labels erschienen. Sciarrino schrieb einen Großteil seiner Opernlibretti selbst und hat darüber hinaus eine reiche Anzahl an Texten verfasst, die in dem Buch "Carte da suono" (DICIM - Novecento, 2001) zusammengefasst sind. Von besonderer Bedeutung ist ein interdisziplinäres Herangehen an die musikalische Form in seinem Buch "Le figure della musica, da Beethoven a oggi" (Ricordi 1998).


Er lehrte an den Konservatorien in Mailand (1974 - 1983), Perugia (1983 - 1987) und Florenz (1987 - 1996). Gleichzeitig leitete Sciarrino Fortbildungskurse und Meisterklassen, besonders hervorzuheben jene in Città di Castello von 1979 bis 2000.


Zwischen 1978 und 1980 war er künstlerischer Leiter des Teatro Comunale di Bologna. Er ist Mitglied der Akademie di Santa Cecilia (Rom), Akademie der Schönen Künste in München und der Akademie der Kunst (Berlin). Sciarrino ist Träger zahlreicher Preise. Die jüngsten: Prince Pierre de Monaco (2003) und Premio Internazionale Feltrinelli(2003).


Für 2006 arbeitet Sciarrino an der Oper "Da gelo a gelo" für die Schwetzinger Festspiele, die Opéra de la Bastille und die Oper Genf.