Musikpreis Salzburg 2013 - Preisträger



Würdigungspreis für Georg Friedrich Haas



Juryentscheidung für den Musikpreisträger 2013
Die Jury, bestehend aus Markus Hinterhäuser, Claus Spahn und Pierre Laurent Aimard begründeten ihre Entscheidung folgendermaßen:

Unverwechselbar unter den Komponisten der Gegenwart

In der Jurybegründung heißt es: "Georg Friedrich Haas gehört heute mit 59 Jahren zu den unverwechselbaren Persönlichkeiten unter den Komponisten der Gegenwart. Unabhängig von allen kompositorischen Moden hat er sich – menschlich still und künstlerisch unbeirrbar – über die Jahrzehnte seines Schaffens hinweg eine herausragende künstlerische Eigenständigkeit erarbeitet. Haas hat früh die wohltemperierte Tonskala als eine Beschränkung seiner Klangfantasie empfunden und sich dem offenen Feld der Mikrotonalität zugewandt, mit Ober- und Teiltönen experimentiert und die Bedeutung der Klangfarbe gegenüber der Tonhöhe akzentuiert. Seine Musik bewegt sich seitdem abseits der tradierten, kompositorischen Pfade, ist hochelaboriert – und bleibt trotzdem für den Hörer auf unmittelbare Weise erfahrbar."

Und weiter: "Haas zieht sich in seinen Kompositionen nicht auf ein geschlossenes System zurück und gibt sich mit dem einmal Entwickelten und Erreichten nicht zufrieden, sondern stellt, geprägt von Skepsis gegenüber jeder Form von Dogmatik, die zentralen Fragen nach Klang, Form und Struktur in seinem Werk immer wieder neu. Haas hat sich so zu einem unermüdlich Suchenden in der Gegenwartsmusik entwickelt. Zentrales Kennzeichen seiner kompositorischen Handschrift ist neben der Fähigkeit zu skrupulöser, rigoroser Materialbefragung, ein untrüglicher Klangsinn. Georg Friedrich Haas hat in nahezu allen wichtigen musikalischen Gattungen substanzielle Beiträge geliefert, von der Kammermusik (erwähnt sei sein in völliger Dunkelheit zu spielendes 3. Streichquartett von 2003) über große Ensemblestücke (etwa sein die Wahrnehmung gleichermaßen verwirrende und schärfende Komposition "In vain") bis hin zum Musiktheater, wo ihm im vergangenen Jahr mit der Uraufführung seiner Oper "Bluthaus" ein durchschlagender Erfolg gelang. Haas ist kein der Welt abgewandter Komponist. Er reagiert mit seiner Musik auf Gegenwart und gesellschaftliche Aktualität, auch politische. Sein umfangreiches Oeuvre ist facettenreich. Und es spricht bei aller Komplexität immer emphatisch zum hörenden Menschen."


Biografie Georg Friedrich Haas

Georg Friedrich Haas wurde 1953 in Graz geboren und verbrachte seine Kindheit in Vorarlberg in den Bergen – eine Landschaft und eine Atmosphäre, die ihn nachhaltig prägten. Studiert hat er in seiner Geburtsstadt bei Ivan Eröd und Gösta Neuwirth und später in Wien bei Friedrich Cerha.

Bei allen Kontrasten, die man in der Musik von Georg Friedrich Haas ausmachen kann, gibt es eine Klammer, die sein kompositorisches Denken bestimmt: Der sinnliche Reiz des lebendigen Instrumentalklangs steht für den österreichischen Komponisten im Mittelpunkt. Schon während seines Studiums hat sich Haas mit Konzeptionen mikrotonaler Systeme beschäftigt und dafür die Werke von Komponisten wie Wyschnegradsky, Hába, Tenney, Nono und Grisey eingehend befragt. Mikrotonalität bestimmte schon früh sein kompositorisches Schaffen, so zum Beispiel in der Kammeroper "Nacht", die 1996 mit großem Erfolg bei den Bregenzer Festspielen uraufgeführt wurde. Nach anfänglichen Experimenten mit Vierteltönen erforscht er seit Mitte der 1980er Jahre den Klang als Komplex von schillernden Zwischenwerten. In Werken wie seinem 1. Streichquartett (1997) arbeitet er intensiv mit Obertonkonstellationen – am konsequentesten in dem Ensemblestück "In vain" (2000).

Seit Ende der 1990er Jahre ist Georg Friedrich Haas mit seinen Werken bei den wichtigsten Festivals neuer Musik vertreten. Bei den Salzburger Festspielen erregte er als Next Generation Komponist 1999 große Aufmerksamkeit. Eine zweite Kammeroper bei den Bregenzer Festspielen (Die schöne Wunde) wurde 2003 vom Klangforum Wien zur Uraufführung gebracht. Im gleichen Jahr spielte das SWR Sinfonieorchester (Südwestrundfunk) bei den Donaueschinger Musiktagen "Natures mortes", und 2006 folgte der große Erfolg von "Hyperion. Konzert für Lichtstimme und Orchester" ebenfalls in Donaueschingen. In der Konzertsaison 2010/2011 wurde das Werk "limited approximations" für sechs Klaviere und Orchester in Donaueschingen viel beachtet und ausgezeichnet.

Viele bedeutende Symphonieorchester haben Werke von Georg Friedrich Haas zur Uraufführung gebracht, darunter das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks (Cellokonzert, 2004), das Mozarteumorchester Salzburg (Sieben Klangräume, 2005), das Cleveland Orchestra  (Poème, 2006), die Münchner Philharmoniker (Bruchstück, 2007), das Radio-Symphonieorchester Wien (Klavierkonzert, 2007), das WDR-Sinfonieorchester des Westdeutschen Rundfunks (Saxofonkonzert, 2008), das Gewandhausorchester Leipzig (Traum in des Sommers Nacht, 2009) und das Münchener Kammerorchester (chants oubliés, 2011; amerikanische Erstaufführung durch das Los Angeles Philharmonic Orchestra). Seine Oper "Melancholia" wurde seit ihrer erfolgreichen Uraufführung an der Opéra National de Paris 2008 an mehreren Opernhäusern gespielt. "Bluthaus", die nach einem Libretto von Händl Klaus entstandene zweite Oper von Georg Friedrich Haas, wurde 2011 sehr erfolgreich bei den Schwetzinger SWR Festspielen zur Uraufführung gebracht.

Darüber hinaus arbeitet Haas intensiv mit dem Klangforum Wien, dem Ensemble Recherche, dem Kairos Quartett, dem Hagen Quartett, der musikFabrik und dem Ensemble Phoenix Basel und vielen mehr zusammen. Er unterrichtet als Professor an der Universität für Musik und darstellende Kunst in Graz und seit 2005 als Professor für Komposition an der Musikhochschule Basel. Georg Friedrich Haas wurde für seine Werke mit zahlreichen Kompositionspreisen sowie 2007 mit dem Großen Österreichischen Staatspreis ausgezeichnet. Seit Mai 2011 ist Haas Mitglied des Österreichischen Kunstsenats und seit Mai dieses Jahres Mitglied der Berliner Akademie der Künste.

Im Internet gibt es weitere Informationen zu Georg Friedrich Haas und eine Werkliste.