Brexit: Vorbereitungen zum Austrittsdatum am 30. März 2019 laufen auf Hochtouren

Einigung über Übergangsregelung bis Dezember 2020 erzielt

Nachdem wir zuletzt in Europa Spezial Nr. 10 vom 13. Dezember 2017 über erste Fortschritte bei den Brexit-Verhandlungen berichten konnten, hat am 23. März 2018 nun die so genannte 2. Phase der Brexit-Verhandlungen begonnen. Dafür hatten die EU-Staats- und Regierungschefs im Zuge ihres 27er Gipfels (d.h. ohne Großbritannien, das die EU verlassen will) gemeinsame Leitlinien gemäß Artikel 50 des EU-Vertrags, der das Austrittsverfahren für den Brexit regelt, verabschiedet. Darin betonen die 27 EU-Staats- und Regierungschefs, dass die EU27 künftig eine möglichst enge Partnerschaft mit dem Vereinigten Königreich anstrebt, wobei jedoch weder die „Beschlussfassungsautonomie" der EU27 noch die Unteilbarkeit der vier Freiheiten am EU-Binnenmarkt (freier Warenverkehr, freier Personenverkehr, freier Dienstleistungsverkehr sowie freier Kapital- und Zahlungsverkehr) angetastet werden dürfen.

Damit wird unterstrichen, dass Großbritannien nach dem Wirksamwerden seines Austrittsersuchens (von März 2017) zum 30. März 2019 in seinem Verhältnis zur EU zu einem Drittstaat wird, mit dem einerseits besonders enge Beziehungen gepflegt werden, dem jedoch andererseits keine Sonderrechte („kein ‚Rosinenpicken'") – wie z.B. in Form einer Beteiligung an EU-Entscheidungsprozessen ohne die Übernahme der mit einer EU-Mitgliedschaft einhergehenden Pflichten – zugestanden werden.

Insbesondere hoffen die EU27-Staaten auf die Fortführung enger Handelsbeziehungen mit dem Vereinigten Königreich. Der Wunsch Großbritanniens auf einen Verzicht an der Teilnahme am EU-Binnenmarkt und an der Zollunion wird zugleich bedauert und respektiert. Für den Fall eines Verzichts seitens Großbritanniens auf ein entsprechendes Assoziierungsabkommen (harter Brexit) befürchten die EU27-Staaten „leider negative wirtschaftliche Folgen … , insbesondere im Vereinigten Königreich". Auch in den Bereichen Terrorismusbekämpfung, Bekämpfung der internationalen Kriminalität und in der Sicherheits-, Verteidigungs- und Außenpolitik äußern die EU27-Staaten den Wunsch nach einer Fortführung der engen Zusammenarbeit mit dem Vereinigten Königreich.

Was die Zukunft der Wirtschaftsbeziehungen angeht, bestätigt der Europäische Rat seine Bereitschaft, Beratungen über ein ausgewogenes, ehrgeiziges und weitreichendes Frei-handelsabkommen (FHA) einzuleiten, insoweit es ausreichende Garantien für faire Wett-bewerbsbedingungen gibt. Dieses Abkommen wird fertiggestellt und geschlossen, sobald das Vereinigte Königreich kein Mitgliedstaat mehr ist. Ein solches Abkommen kann jedoch nicht dieselben Vorteile bieten wie die Mitgliedschaft und nicht auf eine Beteiligung am Binnenmarkt oder an Teilen davon hinauslaufen. Es sollte u.a. Folgendes regeln:
  • den Warenhandel und den gegenseitigen Zugang zu den Fischereigewässern und -ressourcen;
  • eine angemessene Zollzusammenarbeit;
  • Disziplinen für technische Handelshemmnisse sowie gesundheitspolizeiliche und pflanzenschutzrechtliche Maßnahmen;
  • einen Rahmen für die freiwillige Zusammenarbeit in Regulierungsfragen;
  • den Handel mit Dienstleistungen;
  • den Zugang zu den Märkten für öffentliche Aufträge, Investitionen und den Schutz der Rechte des geistigen Eigentums einschließlich geographischer Angaben.
Im Hinblick auf Verkehrsdienste plädieren die EU27-Staaten dafür, dass die Anbindung zwischen dem Vereinigten Königreich und der EU nach dem Austritt des Vereinigten Königreichs erhalten bleibt. Denkbar wäre dafür der Abschluss eines Luftverkehrsabkommens in Verbindung mit Flug- und Luftsicherheitsabkommen sowie Abkommen über andere Verkehrsträger, wobei in diesen sehr wettbewerbsintensiven Sektoren für absolut faire Wettbewerbsbedingungen gesorgt werden müsste.
Was bestimmte EU-Förderprogramme angeht, beispielsweise in den Bereichen Forschung und Innovation oder Bildung und Kultur, so sollte das Vereinigte Königreich gemäß den derzeit bereits geltenden Beteiligungsmodellen für Drittländer an den einzelnen Programmen teilnehmen können.
Am 14. Mai 2018 beraten die 27 in der EU verbleibenden Mitgliedstaaten im 27er-Rat erneut über den Fortgang der Austrittsverhandlungen mit dem Vereinigten Königreich.

Die Ergebnisse des Europäischen Rates vom 23. März 2018 werden online publiziert. © Europäische Union


EU-Parlament begrüßt Einführung einer Übergangsregelung nach dem Brexit

In Vorbereitung auf den EU-Gipfel vom 23. März 2018 hatten die 751 EU-Abgeordneten im Europäischen Parlament am 14. März 2018 eine Entschließung verabschiedet, die in die Leitlinien des Rates vom 23. März 2018 eingeflossen ist. Darin begrüßen die direkt gewählten EU-Mandatarinnen und –Mandatare u.a. den Entwurf der Kommission vom 28. Februar 2018 für das Austrittsabkommen der EU mit dem Vereinigten Königreich und bringen ihre Unterstützung für die von der EU-Kommission darin vorgeschlagenen Übergangsregelungen zum Ausdruck.
Diese wurden von der EU-Kommission, die von den EU27er-Staaten mit der Verhandlungsführung in den Brexitverhandlungen gegenüber Großbritannien beauftragt ist, in den darauffolgenden Tagen weiter ausverhandelt, so dass EU-Chefunterhändler Michel Barnier am 19. März 2018 die Vereinbarung einer fixen „Übergangsperiode" bis 31. Dezember 2020 für das Verhältnis der EU mit dem Vereinigten Königreich bekanntgeben konnte.
Damit kann der Komplexität der zu verhandelnden Abkommen und der Lösung des Verhältnisses mit dem scheidenden EU-Mitgliedstaat Rechnung getragen werden. In seiner Erklärung vom 19. März 2018 unterstrich Michel Barnier, dass damit der Austritt Großbritanniens aus der EU, der am 30. März 2019 wirksam werden wird, verwaltungstechnisch abgefedert wird und für die Dauer der Übergangsperiode Rechtssicherheit für den Status von Unionsbürgerinnen und –bürgern in Großbritannien sowie für britische Bürgerinnen und Bürger in der EU, aber z. B. auch für Projektpartner an mit EU-Mitteln kofinanzierten Projekten gegeben sein wird.
Alle Dokumente zu den Brexit-Verhandlungen werden von der Europäischen Kommission öffentlich zugänglich gemacht.


Ausschuss der Regionen meldet sich mit Sicht der Regionen auf den Brexit zu Wort

Aus Sicht der Regionen hat der Ausschuss der Regionen rechtzeitig vor dem Gipfeltreffen der EU27-Staaten am 20. März 2018 einen Bericht und, in Zusammenarbeit mit EUROCHAMBRES, eine Studie zu den Auswirkungen des Brexits aus Sicht der Regionen vorgelegt. Sie zeigt auf, dass nicht nur für Hersteller (Kfz, Maschinenbau, Elektronik, Textilien, Möbel, Lebensmittel, Holz etc.), sondern auch für den Tourismus und den Dienstleistungssektor mit negativen Auswirkungen gerechnet werden muss. Dabei gilt grundsätzlich, dass die Regionen der EU unterschiedlich stark betroffen sind. Nur für Irland werden jedoch ähnlich starke Auswirkungen wie für die in Großbritannien liegenden Regionen prognostiziert.

In die Verhandlungen über ein künftiges Freihandelsabkommen der EU27 mit dem Vereinigten Königreich könnte der Ausschuss der Regionen als Beobachter eingebunden werden. Grundlage dieser neuen Beobachterrolle wäre ein Beschluss der Europäischen Kommission, den EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström am 24. April 2018 angekündigt hat. Damit soll der AdR künftig als Beobachter an der Beratungsgruppe für die Verhandlungen zu internationalen Freihandelsabkommen teilnehmen. Darunter fiele auch ein künftiges Freihandelsabkommen mit dem Vereinigten Königreich, das nach dem Brexit zwischen der EU und dem dann neuen Drittstaat ausgehandelt werden müsste.