Ausblick auf aktuelle EU-Debatten bis Jahresende

EU-Kommissionspräsident Juncker plädiert für eine Vertiefung der EU ohne unnötiges "Klein-Klein"

Einen ersten Richtungsimpuls für die künftige Gestalt der EU hat EU-Kommissionspräsident Juncker in seiner Rede zur Lage der Union am 13. September 2017 vor dem Europäischen Parlament (EP) gegeben.
EU-Kommissionspräsident Juncker plädiert mit seinem „6. Szenario" zur Zukunft der EU für eine Vertiefung der Union ohne unnötiges „Klein-Klein".
  • Weniger, dafür effizienter: Diesen Ansatz hat das EK-Kollegium unter Juncker seit 2014 konsequent verfolgt. So hat die Zahl der Kommissionsvorschläge für neue EU-Regelungen deutlich abgenommen, zugleich werden wichtige Themen in ressortübergreifenden Initiativen aufgegriffen (Beispiele sind: Energieunion, Digitaler Binnenmarkt, Klimaschutzabkommen). Dieser Ansatz soll ausgebaut werden, denkbar scheinen auch Vorschläge für eine Rückübertragung von Kompetenzen an die Mitgliedstaaten (MS), wo sinnvoll. Juncker hat dafür die Einrichtung einer Timmermans-Task-Force (EK, EP, MS) in naher Zukunft angekündigt. Die Task-Force soll im Herbst 2018 berichten.
  • Vertiefung: EK-Präsident Juncker setzt sich für die Einführung der Abstimmung mit qualifizierter Mehrheit im Rat in den Bereichen Steuern und Sozialstandards einerseits – für den besseren Zusammenhalt in der EU -  und bei Fragen im Bereich Außenbeziehungen andererseits – mit dem Ziel der außenpolitischen Stärkung der Position Europas auf dem internationalen Parkett - ein. Eine Vertragsänderung ist dafür nicht notwendig, jedoch der politische Wille: Für die Umsetzung reicht ein Beschluss des Rates über die Änderung der entsprechenden Abstimmungsmodalitäten.

EU-Förderprogramme laufen auf Hochtouren, Vorbereitungen für die Zeit ab 2021 beginnen

Für die aktuell laufende EU-Förderperiode (2014 bis 2020), die sich mittlerweile im 4. Jahr der Umsetzung befindet, ist heuer Halbzeit: In Brüssel sind daher – ganz turnusgemäß mit Blick auf die neue Förderperiode ab 1. Jänner 2021 - die ersten Sondierungsgespräche über die Zukunft der Regionalpolitik und der Kohäsionspolitik der EU angelaufen.

Auch bei dieser Debatte spielen die Weißbuch-Debatte um die Zukunft der EU und die Folgen des Brexit eine wesentliche Rolle:
Mit dem Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU, der am 29. März 2019 erfolgen wird, wird der bisherige EU-Nettozahler Großbritannien zu einem Drittstaat, der nicht länger zum EU-Haushalt beiträgt. Damit ist 2018 das letzte „normale" EU-Haushaltsjahr, mit der für 2014 bis 2020 ursprünglich vorgesehenen Ko-Finanzierungskraft der EU-Förderprogramme im Rahmen der EU-Regionalfonds sowie auch der EU-Agrarfonds (einschließlich ELER) und des EU-Forschungsprogramms Horizon 2020.
Für den Zeitraum ab 2019 rechnet EU-Haushaltskommissar Oettinger mit einem, durch den Brexit bedingten, jährlichen Einnahmeausfall für den EU-Haushalt in Höhe von 10 Mrd. EUR. Oettinger warnt zugleich, dass mit den neuen, wichtigen gemeinsamen Aufgaben in Sachen Grenzschutz und Flüchtlingsintegration seit 2015 wesentliche Zusatzausgaben in den EU-Haushalt aufgenommen wurden, die den gemeinsamen Anstrengungen der EU-Mitgliedstaaten für die Bewältigung des Flüchtlingszustroms nach Europa zugute kommen.
Damit ist für die Haushaltsplanung ab 2019 eine deutliche Änderung der Debatte über die Finanzierung des EU-Haushaltes zu erwarten.


Wichtige EU-Gesetzesinitiativen im Überblick

Das Europäische Parlament und der Rat werden diesen Herbst über mehrere EU-Gesetzesinitiativen mit wesentlicher Bedeutung für Salzburg beraten. Dazu gehören
  • das Mobilitätspaket „Europa in Bewegung" und die Frage einer einheitlichen Bemautung des Straßenverkehrs in Europa,
  • das Paket „Saubere Energie für alle Europäer" und die Frage der Stellung erneuerbarer Energieträger in unterschiedlichen Bereichen,
  • der Ausbau des Binnenmarkts, nicht zuletzt für mittelständische Unternehmen, mit der Einrichtung des Binnenmarkt-Informationstools und mit Harmonisierungsbestrebungen bei der Mehrwertsteuer; hinzu kommen Fragen der Arbeitnehmermobilität im Hinblick auf eine Überprüfung der Entsenderichtlinie und
  • gemeinsamen Maßnahmen zu Vollendung des Digitalen Binnenmarktes der EU: Harmonisierung von Online Verträgen, neuer Telekomkodex ("Review"), Modernisierung des Urheberrechts, Datenschutz in der elektronischen Kommunikation, Datenwirtschaft, Digitalisierung des Gesellschaftsrechts, Cybersicherheit.
Im Bezug auf die Außenhandelsbeziehungen der EU-Mitgliedstaaten wurde mit dem EuGH-Gutachten zum Handelsabkommen mit Singapur von Dezember 2016 Rechtssicherheit in wichtigen Kompetenzfragen erzielt. Nun ist klar, dass es sich bei den multilateralen Handelsabkommen der EU um so genannte „gemischte Abkommen" handelt, bei denen die Parlamente der (künftig 27) EU-Mitgliedstaaten in das Verfahren einbezogen sein werden. Wichtig sind diese Abkommen im Hinblick auf die Außenhandelsbeziehungen der Europäischen Union als Ganzes und die Stellung der EU am Weltmarkt als globaler Akteur. Der EU-Binnenmarkt ist derzeit der größte zusammenhängende Wirtschaftsraum der Welt. Seine Wirtschaftskraft liegt vor der der USA, Chinas, der ASEAN und Indiens.
Erwartet werden Fortschritte der Verhandlungen über ein Außenhandelsabkommen mit Japan, mit MERCOSUR und mit Mexiko. Ebenfalls wird erwartet, dass der Rat die EU-Kommission in Kürze mit einem Verhandlungsmandat über die Aufnahme von Verhandlungen für ein Freihandelsabkommen mit Neuseeland und Australien ausstatten wird.
In seiner Rede zur Lage der Union vor dem Europäischen Parlament am 13. September 2017 kündigte EU-Kommissionspräsident Juncker an, dass man für die Verhandlungen eine umfassende Transparenz über den Fortgang der Verhandlungen pflegen werde.

Ein weiteres wichtiges Thema in EP und Rat wird in den nächsten Wochen und Monaten die Reform des Dublin-Systems sein, das regelt, welcher Mitgliedstaat für die Bearbeitung eines Asylantrags innerhalb der EU zuständig ist. Dafür wird auch über die Umwandlung des Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen in eine gemeinsame EU-Asylagentur mit gestärkten Kompetenzen und über eine gemeinsame Regelung der Ein- und Ausreisekontrollen für Drittstaatsangehörige an den EU-Außengrenzen beraten werden.

Weitere Debatten werden den Klima- und Umweltschutz sowie das Engagement der EU für das Pariser Klimaschutzabkommen betreffen.

Für die weitere Ankurbelung der Wirtschaft soll die Laufzeit des Europäischen Fonds für strategische Investitionen (EFSI), mit dem bis 2020 private und öffentliche Investitionen in Höhe von 500 Milliarden Euro angestoßen werden sollen, verlängert werden.

Schließlich kommen die EU-Bestimmungen zur Bekämpfung von Geldwäsche und Steuerbetrug und die Antigeldwäsche-Vorschriften, mit denen die Transparenz über wirtschaftliche Eigentümer von Unternehmen erhöht und die Terrorismusfinanzierung bekämpft werden sollen, auf den Prüfstand.

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