5 Szenarien für die soziale Dimension Europas

Reflexionspapier prüft künftige Ausrichtung der EU

Reflexionspapier zur Sozialen Dimension Europas - © Europäische Kommission
Am 26. April 2017 hat die Europäische Kommission ein Reflexionspapier zur sozialen Dimension Europas vorgelegt. Daraus geht hervor, dass die europäische Säule sozialer Rechte für die Bürgernähe der Europäischen Union eine besondere Bedeutung hat. Das Reflexionspapier gehört zum Weißbuch zur Zukunft der EU27 und zur kürzlich von der EU-Kommission vorgeschlagenen europäischen Säule sozialer Rechte (vgl. Infosheet Nr. 242).
Das Reflexionspapier der Europäischen Kommission zeichnet folgendes Stimmungsbild zur Wahrnehmung der Säule sozialer Rechte der Europäischen Union unter den Unionsbürgerinnen und -bürgern:
S.20 im Reflexionspapier. - © Europäische Kommission

Das Weißbuch zur Zukunft der Europäischen Union der EU27 entwirft 5 Szenarien für die EU (vgl. Extrablatt Nr. 109, S. 8f.). Hier eine Kurzdarstellung der voraussichtlichen Auswirkungen der 5 Weißbuch-Szenarien auf die europäische Säule sozialer Rechte:

Weißbuch-Szenario 1: Weiter wie bisher
Konkret würde die EU-27 bei diesem Szenario ihre derzeitige Reformagenda fortführen. Die Prioritäten würden regelmäßig aktualisiert, neu auftretende Probleme sofort angepackt und neue Rechtsvorschriften entsprechend ausgearbeitet. Die sich aus dem Unionsrecht ableitenden Bürgerrechte würden in der gesamten Union gewahrt bleiben.

Weißbuch-Szenario 2: Schwerpunkt Binnenmarkt
Bei diesem Szenario würde die EU-27 nur bestimmte zentrale Aspekte des EU-Binnenmarkts vertiefen. Die sich aus dem Unionsrecht ableitenden Bürgerrechte könnten im Laufe der Zeit Einschränkungen erfahren. Unterschiede bei Verbraucher-, Sozial- und Umweltstandards, Steuern und der Verwendung öffentlicher Subventionen würden fortbestehen; es würde das Risiko eines „Wettlaufs nach unten" drohen. Die Freizügigkeit von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern am EU-Binnenmarkt wäre nicht länger gewährleistet.

Weißbuch-Szenario 3: Wer mehr will, tut mehr
Bei diesem Szenario würden diejenigen der 27 EU-Mitgliedstaaten, die dazu gewillt sind, in bestimmten Politikbereichen enger zusammenarbeiten. Die übrigen Mitgliedstaaten können sich dieser Zusammenarbeit (z.B. in unterschiedlichen Gruppierungen in den verschiedenen Bereichen) später anschließen. Die Folge wäre eine allmähliche Ausdifferenzierung der sich aus dem Unionsrecht ableitenden Bürgerrechte, das heißt je nachdem, ob man in einem Land lebt, das enger mit anderen Ländern zusammenarbeiten will oder in einem Land, das das nicht wünscht, würden in dem einen Fall die gemeinsamen EU-Regelungen gelten und in dem anderen Fall die nationalen Vorschriften dieses Mitgliedstaats, die dann von den EU-Regelungen abweichen können.

Weißbuch-Szenario 4: Weniger, aber effizienter
In diesem Szenario würden sich die Mitgliedstaaten der EU-27 auf das gezieltere Angehen bestimmter Prioritäten einigen. Die Politik würde sich auf entschiedenere und raschere Fortschritte in den ausgewählten Bereichen konzentrieren; in anderen Bereichen wäre die EU nicht mehr oder in geringerem Umfang tätig. Konkret würde dann in den Bereichen, in denen sich die Mitgliedstaaten der EU-27 für eine engere Kooperation aussprechen, mehr für die sich aus dem Unionsrecht ableitenden Bürgerrechte getan werden, in denen keine engere Kooperation zustande käme, würden diese Rechte voraussichtlich abgebaut werden. Neue Standards für den Verbraucher-, Umwelt- und Arbeitsschutz würden nicht mehr umfassend aufeinander abgestimmt (im Sinne einer Harmonisierung); die Harmonisierung der nationalen Vorschriften in den 27 EU-Mitgliedstaaten würde vielmehr auf ein striktes Mindestmaß begrenzt. Bei Gehältern, bei der Sozialgesetzgebung und beim Steuerniveau innerhalb Europas wären dann erhebliche Unterschiede möglich bzw. zu erwarten.

Weißbuch-Szenario 5: Viel mehr gemeinsames Handeln
Bei diesem Szenario würden sich die 27 EU-Mitgliedstaaten in allen Bereichen auf mehr gemeinsame Machtbefugnisse und Ressourcen verständigen und Entscheidungen gemeinsam treffen. Die gemeinsame Währung der EU, der Euro, würde gestärkt, Entscheidungen auf europäischer Ebene könnten rascher umgesetzt werden als heute. Konkret könnten dann die Bürgerrechte, die sich aus den EU-Verträgen ergeben, gestärkt werden. Besteuerungsfragen und soziale Rechte könnten jene EU-Mitgliedstaaten, die den Euro als gemeinsame Währung führen, deutlich stärker aufeinander abstimmen und gemeinsam koordinieren. Die EU könnte die Kompetenz erhalten, zusätzliche Finanzmittel zur Verfügung zu stellen, mit denen Konjunkturschocks auf regionaler, sektoraler und nationaler Ebene koordiniert abgefedert werden könnten.

Mitwirkungsmöglichkeiten

Die EU-Kommission lädt alle interessierten Bürgerinnen und Bürger ein, sich direkt oder indirekt in die Diskussion einzubringen und an der Debatte um die künftige Ausrichtung der EU aktiv teilzunehmen. Ähnlich wie bei EU-Konsultationen können alle Interessierten ihre Anregungen, Wünsche, Befürchtungen und Hoffnungen zudem auch unkompliziert und unmittelbar an die EU-Kommission übermitteln.

Einreichungen sind laufend möglich (es gilt keine Einreichfrist).
Direktlink zum Formular: https://ec.europa.eu/commission/give-your-comments_de

Weiterführende Informationen zu den EK-Initiativen im Rahmen einer europäischen Säule sozialer Rechte:
http://eur-lex.europa.eu/content/news/social_package.html?locale=de

Europa Spezial Nr. 1 vom 1. Juni 2017 - Impressum - Europa Spezial abonnieren - Europa-Seiten des Landes