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Nr. 469 der Beilagen zum stenographischen Protokoll des Salzburger Landtages

(4. Session der 14. Gesetzgebungsperiode)

Bericht der Landesregierung

 

zur Entschließung des Salzburger Landtages betreffend die 380 kV-Leitung über den Gaisberg

 

 

Der Salzburger Landtag hat aus Anlass der Beratungen über die Petition gegen die 380 kV-Leitung über den Gaisberg in einer Entschließung vom 14. Dezember 2011 (AB Nr 229 BlgLT 4. Sess 14. GP) ua die Landesregierung ersucht,

-   "die Fragen zur Anwendung der Alpenkonvention und zur Interessenabwägung des Naturschutzgesetzes unter Einbindung der Petenten und im Expertenkreis prüfen zu lassen und dem Landtag bis 30. März 2012 darüber zu berichten" und

-   "weitere rechtliche Möglichkeiten des Naturschutzgesetzes und anderer Landesgesetze im Zusammenhang mit dem UVP-Verfahren zu prüfen, die in der Petition zum Ausdruck gebrachten Interessen umzusetzen."

 

Dazu wird Folgendes berichtet:

1. Alpenkonvention und Interessensabwägung im Naturschutzgesetz:

1.1. Alpenkonvention:

Der Text der Petition führt zur Alpenkonvention kurz zusammengefasst aus, dass die Errichtung einer Freileitung über den Gaisberg verschiedenen Bestimmungen in Durchführungsprotokollen zur Alpenkonvention widerspräche. Konkret angesprochen werden Art 6 des Bergwaldprotokolls (kundgemacht unter BGBl III Nr 233/2002) sowie mehrere Artikel des Energieprotokolls (kundgemacht unter BGBl III Nr 237/2002). Diese beiden Durchführungsprotokolle sind Staatsverträge, die (ebenso wie die anderen Durchführungsprotokolle) im Unterschied zur Alpenkonvention selbst vom Nationalrat ohne Erfüllungsvorbehalt (Art 50 Abs 2 B-VG) genehmigt worden sind, so dass ihnen unmittelbare Wirkung im Rang eines einfachen Gesetzes zukommt. Auf diese Rechtswirkung im Sinn einer unmittelbaren Anwendbarkeit wird auch in der Petition ausdrücklich hingewiesen. Die Protokolle sind daher von allen Behörden wie gesetzliche Bestimmungen anzuwenden, ohne dass weitere Maßnahmen eines Gesetzgebers (zB des Salzburger Landtages) erforderlich wären. Sollten die in der Petition behaupteten Widersprüche zwischen der geplanten Freileitung und einer oder mehreren Protokollbestimmungen tatsächlich in der dargelegten Eindeutigkeit bestehen, wird die Erteilung einer Errichtungsbewilligung im UVP-Verfahren nicht in Betracht kommen. Diese Beurteilung kann jedoch erst bei Vorliegen eines konkreten Projektes vorgenommen werden und obliegt den zuständigen Behörden sowie den zur Verwaltungskontrolle berufenen Gerichten.

 

1.2. Interessensabwägung im Salzburger Naturschutzgesetz 1999:

 

1.2.1. Zur naturschutzgesetzlichen Interessensabwägung wird in der Petition gefordert, § 2 des Salzburger Naturschutzgesetzes 1999 (NSchG) um den Satz "Im Hinblick auf Hochspannungsleitungen ist eine Verkabelung als Alternative zu Freileitungen zu sehen." zu ergänzen, um die Erdkabelvariante in die naturschutzrechtliche Alternativenprüfung (§ 3a NSchG, Interessensabwägung) einbeziehen zu können. Weiters soll eine landesweite Bewilligungspflicht für die Verlegung von Erdkabeln ab 110 kV Nennspannung vorgesehen werden.

Generell ist zu der im § 3a NSchG geregelten Interessensabwägung auszuführen, dass diese im Einzelfall auch bei schwer wiegenden Eingriffen in die Natur die Erteilung einer naturschutzrechtlichen Bewilligung oder Berechtigung ermöglicht, wenn ein besonders wichtiges öffentliches Interesse am eingereichten Projekt besteht. Voraussetzung für die Anwendbarkeit dieser Bestimmung ist daher, dass das gegenständliche Vorhaben nicht ohnehin (zB nach § 25 Abs 3 NSchG) bewilligungsfähig ist, da bei Vorliegen der Bewilligungsvoraussetzungen kein Erfordernis für die Berücksichtigung anderer Interessen als derjenigen des Naturschutzes besteht. Bei großen Infrastrukturprojekten wie der geplanten 380 kV-Freileitung ist jedoch realistischerweise von einem so schwer wiegenden Eingriff auszugehen, dass die Erteilung einer naturschutzrechtlichen Bewilligung nur entweder nach § 3a oder aber nach § 51 NSchG (mit Ausgleichsmaßnahmen) in Betracht kommt.

Im Zusammenhang mit dem Petitionsanliegen ist auch die im § 3a NSchG enthaltene zusätzliche Anforderung wesentlich, dass die Erteilung einer Bewilligung im Weg der Interessensabwägung nur dann möglich ist, wenn zur Maßnahme nachweislich keine geeignete, die Naturschutzinteressen weniger beeinträchtigende Alternativlösung besteht. Zu dieser Bestimmung bzw zur ähnlichen Formulierung im § 1 des UVP-Gesetzes besteht eine reiche Judikatur sowohl des Verwaltungsgerichtshofes (zB VwGH 6. 7. 2010, 2008/05/0119) als auch des Unabhängigen Umweltsenates (zB US 8A/2007/11-94 vom 4.4.2008), die beide in ständiger Rechtssprechung davon ausgehen, dass eine "Alternative" im Sinn des § 3a NSchG nur eine Maßnahme sein kann, die dem Stand der Technik entspricht. Der Begriff "Stand der Technik" wird dabei im Sinn der Definition des § 71a Abs 1 GewO 1994 als der "auf den einschlägigen wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhende Entwicklungsstand fortschrittlicher Verfahren, Einrichtungen, Bau- oder Betriebsweisen, deren Funktionstüchtigkeit erprobt und erwiesen ist" verstanden. Weder veraltete Vorgangsweisen noch Problemlösungen, denen jegliche praktische Bewährung fehlt, können zum "Stand der Technik" gezählt werden. Schließlich lässt sich aus den Legaldefinitionen des "Standes der Technik" auch das Merkmal der besonderen Effizienz oder Wirksamkeit der dem "Stand der Technik" zuzurechnenden Maßnahmen zur Erreichung des jeweils verfolgten Ziels ableiten. Mit dem letzten Charakteristikum ist neben technischen Aspekten auch eine wirtschaftliche Komponente angesprochen. Nicht jede Spitzenleistung und alles technisch Machbare, sondern nur mit wirtschaftlich vernünftigen Mitteln zu verwirklichende technische Maßnahmen bilden den "Stand der Technik".

Ausgehend von diesem Begriffsverständnis haben sowohl der Umweltsenat als auch der Verwaltungsgerichtshof mehrmals judiziert, dass im Hinblick auf deren fehlende Erprobung Teilverkabelungen von 380 kV-Leitungen im Hochspannungsring nicht dem Stand der Technik entsprechen und daher in die im Rahmen der Interessensabwägung vorzunehmende Alternativenprüfung gemäß § 3a Abs 2 Z 2 NSchG gar nicht einzubeziehen sind. Umweltsenat und Verwaltungsgerichtshof stellen in den schon zit Entscheidungen zur Alternative (Teil-)Ver­kabelung fest, dass weltweit kein Referenzprojekt für eine (Teil-)Verkabelung mit einer mit der verfahrensgegenständlichen 380 kV-Salzburgleitung vergleichbaren Dimensionierung unter den spezifischen Bedingungen des österreichischen "380-kV-Ringes" existiere. Der Hinweis auf die Besonderheiten des österreichischen Ringes dient der Klarstellung, dass es zwar gegenwärtig Verkabelungen im 380 kV-Bereich gibt, diese aber mit der verfahrengegenständlichen Salzburgleitung als nicht vergleichbar erachtet wurden und sich die bisher realisierten Projekte insbesondere auf Kraftwerksausleitungen, auf Einspeisungen in Ballungsgebieten bzw auf Erweiterungen eines bereits vorher ausgebauten Höchstspannungsnetzes auf Grund von Bedarfssteigerungen beschränken.

Diese Judikaturlinie verhindert bisher die gesetzlich grundsätzlich ohnehin bereits jetzt mögliche Einbeziehung von Erdkabellösungen in die naturschutzrechtliche Alternativenprüfung und ist daher der eigentliche Kernpunkt des von den Unterzeichnern der Petition gesehenen Problems.

Die Prüfung der Eignung einer (Teil-)Verkabelung wird Gegenstand der Umweltverträglichkeitsprüfung über das von der Betreiberin noch einzureichende Projekt sein. In diesem Rahmen wird auch die zwischenzeitliche technische Entwicklung auf dem Gebiet der Verkabelung von 380 kV-Leitungen zu berücksichtigen sein.

1.2.2. Die Ergänzung zielt inhaltlich darauf ab, bei Hochspannungsleitungen (und nur bei diesen) die Errichtungsbewilligung auch dann nicht zu erteilen, wenn zu einem (als Freileitung) eingereichten Projekt eine nach der Judikatur nicht dem Stand der Technik entsprechende Alternativlösung, nämlich die Möglichkeit einer (Teil-)Verkabelung, besteht. Bei allen anderen Großprojekten können dagegen im naturschutzbehördlichen Verfahren nach wie vor nur solche Alternativlösungen zu einem Abweisen des Bewilligungsansuchens führen, die den Anforderungen der Rechtssprechung an den Stand der Technik entsprechen, also auch in der Praxis erprobt worden sind. Eine Begründung für diese Ungleichbehandlung ist nicht ersichtlich.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes setzt der verfassungsrechtlich vorgegebene Gleichheitsgrundsatz (Art 7 Abs 1 B-VG, Art 2 StGG) dem Gesetzgeber insofern inhaltliche Schranken, als er verbietet, sachlich nicht begründbare Regelungen zu treffen (zB VfSlg 14.039/1995, 16.407/2001). Für eine differenzierende Behandlung gleicher oder ähnlicher Lebenssachverhalte ist ebenfalls eine sachliche Begründung erforderlich, die auf Unterschieden im Tatsächlichen beruht (zB VfSlg 15.060/1997, 14301/1995, 13781/1994). Aus naturschutzfachlicher Sicht ist die Errichtung einer 380 kV-Freileitung zwar ohne Zweifel ein schwer wiegender Eingriff in die Natur, jedoch in der Bedeutung durchaus mit anderen Eingriffen wie zB der Errichtung von Wasserkraftwerken an naturnahen Flussläufen oder größeren Straßenbauprojekten vergleichbar. Naturschutzgesichtspunkte rechtfertigen daher keine unterschiedliche rechtliche Behandlung von Freileitungen im Vergleich zu anderen Eingriffen in die Natur, so dass gegen die in der Petition vorgeschlagene Formulierung verfassungsrechtliche Bedenken (Gleichheitswidrigkeit) bestehen.

1.2.3. Weitere Bedenken ergeben sich aus dem vom Verfassungsgerichtshof beginnend mit dem Erkenntnis VfSlg 10.292/1984 entwickelten Berücksichtigungsgebot, das jedem Gesetzgeber die exzessive Ausnutzung seiner Gesetzgebungskompetenzen untersagt, wenn dadurch massiv in die von einem anderen Gesetzgeber wahrzunehmenden Interessen eingegriffen wird (zB durch die Verhinderung von im gesamtwirtschaftlichen Interesse gelegenen Eisenbahnstrecken durch die Naturschutzgesetzgebung, VfSlg 15.552/1999). Die gesetzliche Anordnung, eine Bewilligung auch dann versagen zu können (und damit ein im gesamtwirtschaftlichen Interesse gelegenes Projekt wie etwa die Österreich-Ringfreileitung zu verhindern), wenn eine in der Praxis nicht erprobte und damit möglicherweise nicht funktionstüchtige Alternative besteht, könnte vom Verfassungsgerichtshof als Verstoß gegen dieses Rücksichtnahmegebot gesehen werden.

1.3. Weiterer Änderungsvorschlag:

Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass die in der Petition geforderte Aufnahme von Kabelanlagen in die Auflistung der bewilligungspflichtigen Maßnahmen (§ 25 NSchG) nicht erforderlich ist, da größere Maßnahmen ohnehin bereits jetzt von § 25 Abs 1 lit d NSchG (Geländeveränderungen) umfasst sind und kleinere Projekte außerhalb von Schutzgebieten kein Naturschutzproblem darstellen.

1.4. Zusammengefasst werden zu den Petitionsinhalten "Alpenkonvention" und "Interessensabwägung" daher die Auffassungen vertreten, dass

-  die Protokolle zur Alpenkonvention im Bewilligungsverfahren für das geplante Freileitungsprojekt wie einfachgesetzliche Bestimmungen anzuwenden sind und die Frage allfälliger schwerwiegender Widersprüche zu den Protokolltexten von den Behörden und den nachprüfenden Gerichten zu entscheiden sein wird und

-  gegen die vorgeschlagene Ergänzung der naturschutzbehördlichen Interessensabwägung (verpflichtende Einbeziehung der Erdverkabelung von Hochspannungsleitungen als Alternativlösung) verfassungsrechtliche Bedenken bestehen.

 

1.5. Einbeziehung der Unterzeichner der Petition, Stellungnahmen:

 

Diese Haltung wurde entsprechend dem Auftrag des Landtages den Petenten zur Kenntnis gebracht. Von der eingeräumten Gelegenheit zur Stellungnahme haben der Bürgermeister der Landeshauptstadt Salzburg, die Sektion Salzburg des Österreichischen Alpenvereins sowie der Vorsitzende des Salzburger Naturschutzbundes und Sprecher der Bürgerinitiative Guggenthal-Heuberg Gebrauch gemacht. Die eingelangten Stellungnahmen werden dem Landtag als Beilage zu diesem Bericht übermittelt.

Der Bürgermeister der Stadt Salzburg stellt die unter Pkt 1.2.2 und 1.2.3 dargelegte verfassungsrechtliche Bedenklichkeit der "Petitionslösung" in Frage und beruft sich dabei auf Univ. Prof. Dr. Karl Weber. Siehe dazu die Ausführungen unter Pkt 2.1. Betreffend den Stand der Technik wies der Bürgermeister auf das Bestehen weltweit zahlreicher Beispiele von erdverkabelten Hochspannungsleitungen hin. Siehe dazu die Ausführungen unter Pkt 1.2.1.

Von Seiten des Alpenvereins wurde auf die Maßgeblichkeit weiterer Protokolle zur Alpenkonvention wie zB die Protokolle Naturschutz und Landschaftspflege, Tourismus, Raumplanung und nachhaltige Entwicklung, Bodenschutz hingewiesen. Selbstverständlich sind auch die anderen, nicht unter Pkt 1.1 genannten Protokolle zur Alpenkonvention, die ohne Erfüllungsvorbehalt genehmigt worden sind, im Bewilligungsverfahren von der Behörde anzuwenden. Im Gegenstand erscheinen die beiden auch in der Petition selbst genannten Protokolle als die relevantesten.

Dazu, dass das Gutachten von Univ. Prof. Dr. Karl Weber ignoriert werde und keine Auseinandersetzung mit den Argumenten des Verfassungsrechtlers erfolge, siehe die Ausführungen unter Pkt 2.1.

 

2. Andere landesgesetzliche Regelungsmöglichkeiten:

2.1. Salzburger Naturschutzgesetz 1999:

Die Stadt Salzburg hat mit Schreiben vom 17. Februar 2012 das Gutachten "Rechtliche Beurteilung der Möglichkeit einer Novellierung des Salzburger Naturschutzgesetzes hinsichtlich einer Verpflichtung zur Erdverkabelung" von Univ.-Prof. Dr. Karl Weber, Innsbruck, vorgelegt. Dieses Gutachten ist dem Bericht als Beilage angeschlossen.

Das Gutachten beschäftigt sich (wie auch die Petition) mit der Frage, ob aus verfassungsrechtlicher Sicht die Möglichkeit besteht, naturschutzrechtlich die Möglichkeit vorzusehen, anstelle einer Freileitung eine Erdverkabelung vorzuschreiben (Abschnitte II und III), und enthält auf Grund der gesehenen verfassungsrechtlichen Möglichkeit dafür einen Formulierungsvorschlag (Abschnitt V) und Erläuterungen dazu (Abschnitt VI). Der vom Gutachter dargebotene Regelungsvorschlag zur Änderung des Salzburger Naturschutzgesetzes 1999 unterscheidet sich von dem in der Petition enthaltenen Vorschlag und soll daher einer gesonderten Beurteilung unterzogen werden.

2.1.1. Die Frage der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit einer naturschutzgesetzlichen Bewilligungspflicht für Freileitungen und Erdkabel wird vom Gutachter bejaht. Dieses Ergebnis entspricht auch der Haltung der Landesregierung, wobei ergänzend darauf hingewiesen wird, dass im geltenden Naturschutzrecht nicht nur ein Bewilligungsvorbehalt für Freileitungen (§ 25 Abs 1 lit f NSchG) enthalten ist, sondern auf Grund des § 25 Abs 1 lit d NSchG bereits jetzt für größere Erdkabelprojekte gilt.

2.1.2. Beigepflichtet wird auch der im Abschnitt II.1.b des Gutachtens enthaltenen Beurteilung, dass dem verfassungsrechtlichen Berücksichtigungsgebot in diesem Zusammenhang besondere Bedeutung zukommt, da der entsprechende Leitungsabschnitt (Netzknoten Tauern - Netzknoten St. Peter - 380 kV-Salzburgleitung) entsprechend dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 2. Juli 2011, V 167/10 ua, nicht nur dem Starkstromwegegesetz des Bundes und damit auch der Planungskompetenz des Bundes unterliegt, sondern unter Hinweis auf die unionsrechtlichen Rahmenbedingungen auch als im gesamteuropäischen Interesse liegend beurteilt wurde.

In diesem Zusammenhang wird auf die bereits unter Pkt 1.2.1 dargestellte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes sowie des unabhängigen Umweltsenates verwiesen, nach der ein wesentliches Kriterium für die Frage, ob eine Maßnahme eine taugliche Alternative für ein eingereichtes UVP-Projekt ist, deren Übereinstimmung mit dem Stand der Technik ist (s dazu die Ausführungen unter Pkt 1.2.1). Der Verfassungsgerichtshof hat bisher keine Kritik an dieser Judikaturlinie erkennen lassen (zB VfSlg 18.585/2007), so dass davon auszugehen ist, dass auch bei der Prüfung der Frage, ob ein (national oder international bedeutendes) Projekt durch eine landesgesetzliche Bestimmung verhindert wird, auch die Beantwortung der Frage eine Rolle spielen wird, ob die vom Landesgesetzgeber vorgegebene Projektalternative überhaupt dem Stand der Technik entspricht. Ein nicht dem Stand der Technik entsprechendes Projekt bewirkt nämlich nicht nur, wie im Gutachten ausgeführt wird, dass "diese [Leitungen] bei Vorliegen gravierender Beeinträchtigungen von Naturschutzinteressen eben nicht ober- sondern unterirdisch geführt werden", sondern dass ein Projekt errichtet werden muss, das nicht dem Stand der Technik entspricht, dessen Funktionsfähigkeit in der Praxis nicht erwiesen ist und das daher den im Hintergrund stehenden (nationalen oder internationalen) Interessen unter Umständen gar nicht gerecht werden kann. Die Schlussfolgerung, dass eine "Verkabelungsbestimmung" im Hinblick auf das verfassungsrechtliche Torpedierungsverbot unbedenklich sei, wird daher nicht geteilt.

Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass sich das Gutachten wiederholt auf "naturschutzfachlich besonders sensible Gebiete" bezieht – was verfassungsrechtlich auch von zentraler Bedeutung ist –, ohne diese zu definieren. Nach der gegebenen Systematik des Naturschutzrechts ist davon auszugehen, dass solche "besonders sensiblen Gebiete" räumlich mit den gemäß den §§ 10, 22a und 24 NSchG geschützten Gebieten übereinstimmen (geschützte Naturgebilde, geschützte Landschaftsteile, Landschaftsschutzgebiete, Naturschutzgebiete, Europaschutzgebiete, geschützte Biotope). Für diese Gebiete bestehen jedoch gesonderte, über § 25 NSchG hinausgehende Bestimmungen, die im Regelfall nicht nur die Errichtung von Freileitungen, sondern auch die Verlegung von Erdkabeln ohnehin ausschließen. Eine lediglich auf diese (Schutz-)Gebiete bezogene ergänzende Bestimmung ist daher nicht erforderlich. Bei nicht besonders geschützten Landesteilen fällt eine Argumentation schwer, dass diese zwar naturschutzfachlich überaus wertvoll, jedoch nach keiner der gesetzlich vorgegebenen Kategorien besonders schützenswert und geschützt sein sollen. Eine Möglichkeit, besonders verschärfte Bewilligungsvoraussetzungen außerhalb von geschützten Gebieten naturschutzfachlich zu begründen, wird daher nicht gesehen.

2.1.3. Auch die im Abschnitt II.2 des Gutachtens dargestellten Zusammenhänge mit möglichen Grundrechtseingriffen bauen auf einem ergänzenden Schutzerfordernis für "besonders sensible Gebiete" auf bzw setzen eine gebietsmäßige Beschränkung auf solche besonders schutzwürdigen Flächen voraus; zur Problematik dieser Gebietsumschreibung wird auf die unter Pkt 2.1.2. gemachten Ausführungen verwiesen. Zur Beurteilung, ob eine "Erdkabelbestimmung" eine dem Gleichheitsgrundsatz widersprechende Projektverhinderung darstellen kann, ist auf die unter Pkt 1.2.1. dargestellte "Stand der Technik"-Judikatur zu verweisen. Gänzlich ungeprüft bleibt im Gutachten die Frage, welche Begründung für eine Sonderbestimmung nur für bestimmte Projekte (eben Freileitungen) gesehen wird, nicht jedoch für andere Projekte mit vergleichbaren Auswirkungen.

2.1.4. Aus naturschutzfachlicher Sicht kann folgenden im Abschnitt II.2.b des Gutachtens enthaltenen Ausführungen nicht beigepflichtet werden: "Durch die Erdverkabelung mag es zwar auch durch Rodungen, Geländeabtragungen bzw -aufschüttungen ebenfalls zu Beeinträchtigungen des Landschaftsbildes kommen, diese sind jedoch erheblich geringer als durch den Bau von Freileitungen auf demselben Gebiet. Insoweit sind die vorgeschlagenen Maßnahmen zweifelsfrei geeignet, den naturschutzrechtlichen Zielen zu dienen." Die Frage, ob durch eine Freileitung oder durch eine Kabeltrasse schwerwiegendere Eingriffe in die Natur verbunden sind, kann nur an Hand von konkreten Projekten jeweils im Einzelfall, nicht jedoch generell im Vorhinein beurteilt werden. Bei einem Bestand seltener oder geschützter Pflanzen oder Lebensräume kann etwa das Überspannen mit einer Freileitung durchaus als geringerer Eingriff gewertet werden als das Anlegen (und nachfolgende Freihalten) einer ca 20 bis 25 m breiten Erdkabeltrasse. Aus diesem fachlichen Einwand ergibt sich jedoch auch, dass für eine generelle Bevorzugung einer Kabellösung keine sachliche Begründung besteht und daher auch die vom Gutachter angesprochene (und als gewahrt gesehene) Verhältnismäßigkeit des gesetzlichen Grundrechtseingriffes nicht vorliegt.

2.1.5. Im Abschnitt III des Gutachtens wird darauf hingewiesen, dass "es einer speziellen sachlichen Begründung bedürfte, warum gerade für elektrische Freileitungen andere Bewilligungskriterien und Bewilligungsvoraussetzungen gelten sollten als für sonstige eingriffsintensive bewilligungspflichtige Vorhaben". Dieser Aussage ist vollinhaltlich zuzustimmen, es erstaunt jedoch, dass der Gutachter nachfolgend (Abschnitt V) in einem anzufügenden § 25 Abs 4 NSchG eben eine solche nur für Freileitungen geltende abweichende Bewilligungsbestimmung vorschlägt (Abschnitt VI.B.2: "Sonderbestimmungen für Starkstromwegeanlagen"), ohne eine entsprechende Begründung dafür anzubieten. Diese Bestimmung bezieht sich überdies auf Grund ihrer systematischen Einordnung auf das gesamte Landesgebiet (mit Ausnahme von Flächen mit einer Baulandwidmung), eine besondere naturschutzfachliche Wertigkeit der Landschaft ist nicht erforderlich, so dass die behauptete Beschränkung auf "besonders sensible Gebiete" auch im Textvorschlag letztlich keinen Niederschlag findet. Zur vorgeschlagenen Textierung selbst wird darauf hingewiesen, dass Großprojekte wie etwa auch das gegenständliche Freileitungsprojekt im Regelfall keiner unmittelbaren Bewilligung nach § 25 Abs 3 NSchG zugänglich sind, da diese bereits dann zu versagen ist, wenn das Vorhaben das Landschaftsbild, den Naturhaushalt, den Charakter der Landschaft oder deren Wert für die Erholung erheblich beeinträchtigen. Die vom Gutachter im neuen § 25 Abs 4 NSchG vorgeschlagenen ergänzenden Erfordernisse der "schwerwiegenden und nachhaltigen Beeinträchtigung" der Schutzgüter Landschaftsbild usw liegen sprachlich eindeutig über dem Niveau, das bereits jetzt die Erteilung einer unmittelbar auf § 25 Abs 3 NSchG gestützten Bewilligung ausschließt.

2.1.6. Ein allenfalls sinnvoller Inhalt kann der Formulierung nur zugemessen werden, wenn er sich nicht auf die Bewilligung gemäß § 25 Abs 3 NSchG, sondern auf die im Weg der Interessensabwägung vorgenommene Bewilligung gemäß § 3a NSchG beziehen soll. Auf diese Regelungsintention deuten auch die im Abschnitt VI.B.2 des Gutachtens enthaltenen Erläuterungen hin.

In diesem Fall hätte die vorgeschlagene Bestimmung im Wesentlichen den gleichen Effekt wie die in der Petition angeregte Ergänzung im § 2 NSchG, so dass die dort angesprochenen Bedenken (s die Ausführungen zu Pkt 1.2) auch hier zutreffen. Ein Unterschied liegt nur darin, dass nach dem Gutachten der Antragsteller die Unmöglichkeit der Kabelvariante nachweisen müsste, was im Hinblick auf die dargestellte "Stand der Technik" - Rechtsprechung wahrscheinlich gerade beim Projekt "Netzknoten Tauern - Netzknoten St. Peter - 380 kV-Salzburg­leitung" leicht möglich wäre. Da eine Teilverkabelung des 380 kV-Hochspannungsringes nach einhelliger Rechtsmeinung sowohl des Unabhängigen Umweltsenates als auch des Verwaltungsgerichtshofes nicht dem Stand der Technik entspricht, kann sich der Einschreiter einfach auf diese Judikatur beziehen und hat damit bereits die Unmöglichkeit der Teilverkabelung nachgewiesen. Der Gutachter selbst weist in den Erläuterungen zur vorgeschlagenen Neuregelung (Abschnitt VI.B.2) darauf hin, dass "[d]ie Textierung absichtlich auf Wendungen wie "technisch nicht möglich" oder "nach dem Stand der Technik ausgeschlossen" [verzichtet]. Diese Aspekte werden in den konkreten Bewilligungsverfahren zu prüfen sein." Vor dem Hintergrund der (einhelligen) Judikatur zur Frage der Möglichkeit einer Teilverkabelung der Österreich-Ringleitung bedeutet die im Gutachten vorgeschlagene Anfügung gerade in Bezug auf das in der Petition angesprochene Projekt für den Einschreiter keinerlei zusätzliche Erschwernis. Für andere Verfahren dagegen, die Stromleitungen mit mehr als 36 kV Nennspannung zum Gegenstand haben, können sich im Einzelfall durchaus gravierende Erschwernisse für die Einschreiter ergeben. Außerdem besteht auch hier wieder das Problem der unsachlichen und damit gleichheitswidrigen Benachteiligung bestimmter Einschreiter, da eben Freileitungen naturschutzfachlich im Hinblick auf die Projektauswirkungen durchaus mit anderen Großprojekten vergleichbar sind, für die keine entsprechenden Erschwernisse vorgesehen werden sollen.

2.1.7. Abschließend wird noch darauf hingewiesen, dass eine Verschärfung im § 25 NSchG überdies als Nebeneffekt die Folge haben kann, dass eine tendenzielle Verlagerung der Freileitung in gewidmetes Bauland für den Errichter plötzlich sehr attraktiv wird, da Bauland von der Geltung des § 25 NSchG ganz allgemein ausgenommen ist. Zu dieser (landespolitisch unerwünschten) Folgewirkung finden sich im Gutachter keine näheren Ausführungen.

2.1.8. Zusammenfassend wird daher die im Gutachten vorgeschlagene Ergänzung des Salzburger Naturschutzgesetzes 1999 die von den Petenten erwünschte Wirkung nicht erzielen können, da gerade die vom Gutachter offenbar angestrebte Entscheidung der Behörden (dh des Unabhängigen Umweltsenates) über die "Möglichkeit" einer (Teil-)Verkabe­lung vor dem Hintergrund der einhelligen Judikatur dieses Senates und des Verwaltungsgerichtshofes ("Stand der Technik") dazu führen wird, dass gerade beim Projekt "Netzknoten Tauern - Netzknoten St. Peter - 380 kV-Salzburgleitung" keinerlei Aussicht auf eine Kabellösung besteht. Die Schaffung einer naturschutzrechtlichen Sonderbestimmung ausschließlich für Freileitungen ist überdies verfassungsrechtlich bedenklich.

 

2.2. Mögliche Regelungsansätze in anderen Landesgesetzen:

Die Frage, ob sinnvolle Regelungsmöglichkeiten in weiteren Landesgesetzen bestehen, wurde von den für Belange der Lebensgrundlagen und Energie, des Umweltschutzes, der Raumplanung und des Naturschutzes zuständigen Abteilungen geprüft. Eine erfolgversprechende Möglichkeit, die Ziele der Petition zu unterstützen, konnte dabei nicht gefunden werden.

 

Die Landesregierung stellt sohin den

 

 

Antrag,

 

 

der Salzburger Landtag wolle beschließen:

 

1.  Der vorstehende Bericht wird zur Kenntnis genommen.

 

2.  Der Bericht wird dem Verfassungs- und Verwaltungsausschuss zur Beratung, Berichterstattung und Antragstellung zugewiesen.