Gesundheit wird wichtiges Thema für EU-Strategien

Künftige EU-Pharma-Strategie soll Versorgungslage mit Medikamenten verbessern helfen

Am 15. Juli 2020 hat die Europäische Kommission eine Mitteilung über kurzfristige Vorsorgemaßnahmen der EU im Gesundheitsbereich im Hinblick auf COVID-19-Ausbrüche vorgelegt.

Zweck der Kommissionsinitiative ist es, die kurzfristig notwendig werdenden Vorsorgemaßnahmen der EU im Gesundheitsbereich im Hinblick auf weitere COVID-19-Ausbrüche sicherzustellen.

Dargestellt wird darin insbesondere die Notwendigkeit, die Belastung durch die saisonale Grippe 2020/2021 gering zu halten, um die zusätzliche Inanspruchnahme der Gesundheitssysteme im Fall eines Zusammenfallens mit einem weiteren COVID-19-Ausbruch abzumildern.


EU-Kommission: Maßnahmen miteinander koordinieren

Für eine erfolgreiche Eindämmung und Bewältigung etwaiger neuer COVID-19-Ausbrüche (Cluster) ist nach Einschätzung der Kommission eine kontinuierliche Zusammenarbeit auf EU-Ebene sowie mit den Nachbarstaaten der EU (auch global) notwendig. Daher kündigt die Kommission u. a. an, auch den Westbalkan und die Länder der Europäischen Nachbarschaft (Ägypten, Algerien, Armenien, Aserbaidschan, Belarus, Georgien, Israel, Jordanien, Libanon, Libyen, Marokko, Republik Moldau, Syrien, Tunesien, Ukraine) und weitere Partnerstaaten an der Umsetzung der von ihr vorgeschlagenen Maßnahmen zu beteiligen.

Die EU-Kommission appelliert zudem an die Entschlossenheit aller beteiligten Akteure, Maßnahmen, die in die nationale Zuständigkeit fallen, konsequent umzusetzen. Für die abgestimmte Vorgangsweise aller werde man sich auch künftig auf gemeinsame Konzepte für gesundheitspolitische Maßnahmen mithilfe des Gesundheitssicherheitsausschusses („HSC“), der Integrierten EU-Regelung für die politische Reaktion auf Krisen („IPCR“) und weiteren zweckdienlichen Foren verständigen. Die Sofortmaßnahmen im Überblick:
  • Teststrategie,
  • Kontaktnachverfolgung,
  • abgestimmte Parameter für die Entwicklung der Pandemielage,
  • medizinische Maßnahmen,
  • Funktionieren des Binnenmarktes für Arzneimittel und Schutzausrüstung,
  • Kapazitätspuffer in der Gesundheitsversorgung durch grenzüberschreitende Kooperationen,
  • nichtpharmazeutische Gegenmaßnahmen: Gesichtsmasken, Handhygiene, Physical Distancing etc.,
  • Unterstützung schutzbedürftiger Personengruppen: medizinische Gefährdung, soziale Benachteiligung, Pflege- und Gesundheitspersonal,
  • Verringerung der Fallzahlen bei der saisonalen Grippe (Grippeimpfung, Differenzialdiagnostik, Sensibilisierungskampagnen) mit dem Ziel, die Gesundheitssysteme in den Mitgliedstaten zu entlasten.


COVID-19 triggert neue Schwerpunkte für eine EU-Kooperation im Gesundheitsbereich

Als Reaktion auf COVID-19 strebt die EU-Kommission mehr Kooperation im Gesundheitsbereich an. Eine Besonderheit ist jedoch, dass der Bereich Gesundheit nur ergänzend und koordinierend in die Kompetenzen der Europäischen Union fällt, und eigentlich in der Obhut der Mitgliedstaaten liegt. Geregelt werden die Zuständigkeiten der EU in Artikel 168 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (Art. 168 AEUV).
Beispielsweise war die EU während der BSE-Krise im Jahr 1999 zuständig gewesen, da die Krankheit über verseuchte Rinderprodukte übertragen wurde.
Im EU-Vertrag ist u. a. festgelegt, dass die Tätigkeit der Union die Politik der Mitgliedstaaten im Gesundheitsbereich ergänzt. Die Tätigkeit der EU ist dabei darauf ausgerichtet, zur Verbesserung der Gesundheit der Bevölkerung, zur Prävention und zur Bekämpfung von Gefahrenquellen für die Gesundheit beizutragen.
Erfasst wird so die Bekämpfung weit verbreiteter schwerer Krankheiten (z. B. Krebs). Hier können die Erforschung von Ursachen, Übertragungswegen und Präventionsmaßnahmen gefördert werden. Weiters sind die Überwachung von Gesundheitsgefahren, die mehrere Mitgliedstaaten (d. h. grenzüberschreitend) betreffen, deren frühzeitige Meldung und Eindämmungsmaßnahmen für schwerwiegende grenzüberschreitende Gesundheitsgefahren (wie COVID-19) Gegenstand dieser unterstützenden Befugnisse der Kommission.
Die Mitgliedstaaten koordinieren sich ihrerseits untereinander und unterrichten die Kommission über die Maßnahmen auf ihrem Hoheitsgebiet. Schließlich ist vorgesehen, dass die Europäische Kommission in enger Abstimmung mit den Mitgliedstaaten alle Maßnahmen ergreifen kann, die der koordinierten Handhabung einer Gesundheitskrise, wie der COVID-19-Krise, dienlich sind. Das können Initiativen sein, mit denen gemeinsame Vorgangsweisen (z. B. Leitlinien und Indikatoren) festgelegt werden, mit denen man sich gegenseitig über bewährte Verfahren auf dem Laufenden hält und mit denen die erforderlichen Elemente für eine kontinuierliche Lagenabschätzung formuliert werden.

Künftig soll es eine EU-Strategie für den Kampf gegen Krebs geben

In ihrer Roadmap vom 4. Februar 2020 kündigt die Europäische Kommission eine gemeinsame Strategie zur Krebsbekämpfung für das 4. Quartal 2020 an. Das Vorhaben ist Teil des EK-Programms von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, einer approbierten Ärztin. Die derzeitigen Krebszahlen deuten darauf hin, dass annähernd jeder zweite EU-Bürger (40 %) im Laufe des Lebens an Krebs erkrankt. Selbst bei steigenden Überlebensraten, dank Früherkennung und Vorsorge, bedeutet dies eine große gesellschaftliche Belastung. Die EU-Kommission erarbeitet daher derzeit einen europäischen Plan zur Krebsbekämpfung, der die Mitgliedstaaten bei der Verbesserung der Krebsbekämpfung und -behandlung unterstützen soll.


EU-Pharma-Strategie avisiert für Herbst 2020

Der Umgang mit pharmazeutischen Versorgungsengpässen, der bereits vor COVID-19 verstärkt auf EU-Ebene thematisiert wurde, hat im Zuge der COVID-19-Pandemie zusätzliches Gewicht erhalten.
Das Problem an sich ist nicht neu: Bereits vor der COVID-19-Pandemie kam es in den Gesundheitssystemen der EU-Mitgliedstaaten immer wieder zu Engpässen bei unentbehrlichen Arzneimitteln. Betroffen waren/sind u. a. Krebstherapien, die Verfügbarkeit von Impfstoffen und die fehlende Entwicklung neuer antimikrobieller Mittel (Stichwort: Antibiotikaresistenzen).
In einer EU-weiten Umfrage eruiert die Europäische Kommission derzeit (Einreichfrist bis 15. September 2020), wie der Bedarf für eine gemeinsame EU-Pharmastrategie einzuschätzen ist. Hintergrund der Umfrage ist, dass die Arzneimittelversorgung in der EU zunehmend auf pharmazeutische Wirkstoffe angewiesen ist, die aus Drittstaaten außerhalb der EU importiert werden müssen.
In Krisensituationen, wie der COVID-19-Pandemie, hat sich das Risiko einer Unterbrechung der Lieferkette außerhalb des EU-Binnenmarktes, das auch allgemein gängige Arzneimittel erfassen kann, nun kritisch zugespitzt. Rückmeldungen will die Europäische Kommission bei der Erstellung einer neuen EU-Arzneimittelstrategie , die in der vorausschauenden Roadmap für das 4. Quartal 2020 ankündigt wird, berücksichtigen.
Die Versorgungslage mit Medikamenten und medizinischer Ausrüstung ist auch ein Schwerpunkt der Konferenz der Gesundheitsreferenten, deren Vorsitz Salzburg bis Ende 2020 führt.
EU-Binnenmarktregeln regeln Qualitätssicherung für den Handel mit Arzneimitteln
Eine Seite der Versorgungssicherheit bei Arzneimitteln betrifft die Qualitätsgarantie für rezeptpflichtige Arzneimittel. Dieser Bereich ist in den zurückliegenden Jahren immer wieder anfällig gewesen für Fälschungen. EU-Richtlinie 2011/62 und die dazugehörige Delegierte Verordnung 2016/161 (in Kraft seit 9. Februar 2019) regeln gemeinsame Sicherheitsmerkmale für Arzneimittelverpackungen und ein flächendeckendes Datenspeicherungssystem. Mithilfe des flächendeckenden Datenspeicherungssystems sollen (mitunter lebensbedrohliche) Medikamentenimitate nicht länger in die legale Lieferkette eingeschleust werden können.

EU-Förderungen für Gesundheitsbereich sollen gestärkt werden

Als Folge der COVID-19-Krise hat die Kommission einen Verordnungsentwurf für ein gestärktes Gesundheitsprogramm EU4HEALTH vorgelegt. Die im Aktionsprogramm Health 2014-2020 genannten Prioritäten werden grundsätzlich fortgeführt. Als Lehre aus der COVID-19-Pandemie sollen im Aktionsprogramm EU4HEALTH 2021-2027 jedoch insbesondere folgende Themen aufgegriffen werden:

  • krisenfeste Resilienz im Hinblick auf grenzüberschreitende Gesundheitsbedrohungen,
  • Zugang zu und Verfügbarkeit von Arzneimitteln und anderen grundlegenden Gesundheitsgütern (z. B. Schutzausrüstung),
  • Nachhaltigkeit von Gesundheitssystemen.

Der Vorschlag der Kommission befindet sich derzeit im Verhandlungsprozess der Ko-Gesetzgeber (Kommission, Rat und Europäisches Parlament). Angestrebt wird, dass das gestärkte Programm EU4HEALTH 2021-2027 zum 1. Jänner 2021 anlaufen kann. 

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