Nr. 198 der Beilagen zum stenographischen Protokoll des Salzburger Landtages
(5. Session der 13. Gesetzgebungsperiode)
Bericht
des Ausschusses für Raumordnung, Umweltschutz und Verkehr zum Antrag der Abg. Dr. Reiter und Schwaighofer (Nr 94 der Beilagen) betreffend Vorsorgepolitik des Landes im Bereich Handystrahlung und Elektrosmog
Der Ausschuss für Raumordnung, Umweltschutz und Verkehr hat sich in der Sitzung vom
7. November 2007 bei teilweiser Anwesenheit von Frau Landeshauptfrau Mag. Burgstaller und in Anwesenheit von dem für Umweltschutz ressortzuständigen Regierungsmitglied Landeshauptmann-Stellvertreter Dr. Raus geschäftsordnungsgemäß mit dem zitierten Initiativantrag der Grünen befasst.
Auf der Expertenbank waren Hofrat Dr. Berghammer (Leiter der Abteilung 2), DI Schönleitner (Referat 6/51), Frau DI Itzlinger (Referat 7/03), Landessanitätsdirektor Hofrat Dr. König (Fachabteilung 9/1), Dr. Oberfeld (Referat 9/11), DI Willau (Referat 16/02), Mag. Mazzucco (Landesschulrat), Prim. Univ.-Prof. HR Dr. Pauser (SALK), Dr. Schörghuber (WKS) sowie Mag. Maier (FMK – Forum Mobil Kommunikation) vertreten.
Weiters wird ausdrücklich festgehalten, dass der vorliegende Initiativantrag gemeinsam mit dem Initiativantrag der Grünen (Nr 573 der Beilagen der 4. Session der 13. Gesetzgebungsperiode) betreffend ein Gesetz zum besseren Schutz von Mensch und Umwelt vor Schäden durch nichtionisierende Strahlung (Mobilfunk) sowie dem Initiativantrag der ÖVP (Nr 324 der Beilagen der 4. Session der 13. Gesetzgebungsperiode) betreffend einen sehr zurückhaltenden Einsatz von Funk-Netzwerken in Schulen verhandelt wird.
Die inhaltliche Debatte zu allen drei vorliegenden Initiativanträgen wird ausschließlich in diesem Ausschussbericht zusammengefasst.
Der Initiativantrag zielt in mehreren Punkten darauf ab,
- einerseits mit der Bundesregierung unverzüglich Verhandlungen aufzunehmen, um den Salzburger Vorsorgewert als Grenzwert für elektromagnetische Strahlung verbindlich einzuführen,
- weiters eine Informationskampagne zu starten, um insbesondere Kinder und Jugendliche über die Gefahren des Mobilfunks aufzuklären,
- andererseits der flächendeckenden Einführung der WLAN-Technik entgegenzuwirken sowie
- die Abstandsregelungen zu Hochspannungsmasten erneut zu überprüfen und
- den Ergebnissen der in der Präambel zitierten Studien anzupassen, um letzten Endes sicherzustellen, dass weitere Studien im Land Salzburg durchgeführt werden können bzw Immissionen durch bestehende Masten überprüft werden.
In der dem Antrag zu Grunde liegenden Präambel wird ausgeführt, dass sich die Landesregierung im Regierungsübereinkommen 2004 zur "wissenschaftlichen Überprüfung des Salzburger Vorsorgewertes" verpflichtet habe. In Anbetracht der vorläufigen Ergebnisse der von der Landesregierung in Auftrag gegebenen Studie von Hacker und Pauser "Wirkungen von GSM-Sendeanlagen auf den Menschen", der Warnungen der EU-Umweltagentur vor Langzeitgefahren durch Elektrosmog (http://www.eea.europa.eu) sowie der Ergebnisse der Studie von BioInitiative (http://www.bioinitiative.org/report/index.htm) sei jedoch nicht nur das Vorhaben der Landesregierung "Ausbau des Mobilfunknetzes vor allem in ländlichen Bereichen" zu überdenken, sondern es seien auch Maßnahmen zu setzen, um im Sinne der Vorsorge die Menschen vor Elektrosmog besser als bisher zu schützen.
Nach Aufruf des Verhandlungsgegenstandes durch die Berichterstatterin Abg. Dr. Reiter (Die Grünen) bedankt sich Zweiter Präsident MMag. Neureiter (ÖVP) bei den Autoren der zitierten Studie Prim. Univ.-Prof. HR Dr. Pauser und Univ.-Prof. Dr. Hacker. Die Aussagen zum Salzburger Vorsorgewert, die auch im Internet nachlesbar wären, seien nachvollziehbar. Im Übrigen wäre nicht von Hochspannungsmasten zu reden, sondern von Hochspannungsleitungen bzw von Sendemasten. Es hätte sich übrigens in der Zwischenzeit einiges getan. So hätten der Bayerische Landtag und der deutsche Bundestag Empfehlungen auf den Verzicht von Funknetzwerken ausgesprochen.
Im Zusammenhang mit der Verwendung von WLAN-Techniken fragt Frau Abg. Dr. Reiter (Die Grünen), was die Formulierung "sehr zurückhaltend" bedeute. Sie hätte gerne Vorschläge, was das konkret bedeute.
Abg. Ing. Mag. Meisl (SPÖ) betont, dass dieses Thema sehr differenziert zu betrachten wäre. Auf der einen Seite gibt es eine intensive Nutzung des Mobilfunks, die auch gerne von den meisten selbst hier im Saale angenommen werden. Sehr oft werden auch Beschwerden über schlechte Verbindungen geführt. Auf der anderen Seite werde der Mobilfunk in vielen Bereichen systematisch eingesetzt wie etwa bei der Verständigung bei Katastrophen oder durch Bergsteiger in Bergnot.
Klubobmann Abg. Dr. Schnell (FPÖ) erinnert daran, dass diese Debatte über Elektrosmog im Landtag schon geführt wurde. Diese erinnere ihn auch an die viele Jahre zurückliegende Diskussion über das Rauchen. Früher habe man Raucherzimmer in Schulen eingerichtet und jetzt werde darüber diskutiert, das Rauchen gänzlich zu verbieten. Die Diskussion über Elektrosmog verlaufe ähnlich wie die seinerzeit über das Rauchen. Im Übrigen müsste bedacht werden, dass es völlig verschiedene Strahlungen gäbe.
Landeshauptmann-Stellvertreter Dr. Raus als das für Umweltschutz ressortzuständige Regierungsmitglied betont, dass in diesen neuen Techniken sowohl ein Segen wie auch ein Fluch für die Menschheit lägen. Selbstverständlich sei es sinnvoll und notwendig, bundeseinheitliche Regelungen anzustreben, weil das Land Salzburg zu klein sei, um hier eine entsprechende Wirkung zu erzielen. Man müsse zB bedenken, dass alleine aus der unmittelbaren Nachbarschaft in Bayern (Freilassing) hinreichende Strahlungen vorhanden wären, um das ganze Land Salzburg zu belasten. Er könne daher ebenfalls nur dafür appellieren, eine einheitliche Regelung zu erwirken, die auch wissenschaftlich entsprechend abgedeckt ist. Im Hinblick auf die bereits durch die Landesregierung gesetzten Maßnahmen und Initiativen würde dieser dem Landtag die Kenntnisnahme des Berichtes empfehlen.
In weiterer Folge richtet Zweiter Präsident MMag. Neureiter (ÖVP) an die Experten eine Reihe von Fragen und ersucht auch um Auskunft darüber, wie eine "sehr zurückhaltende" Verwendung von Funknetzwerken zu verstehen sei. Soll man das als zeitlich vorübergehend einstufen oder unter besonderen baulichen Verhältnissen (zB bei Bauprovisorien, für die keine entsprechenden Leitungsnetze zur Verfügung stehen) etc.
Sodann werden durch die Experten ausführliche Stellungnahmen abgegeben die wie folgt zusammengefasst werden:
So führt HR Prim. Univ.-Prof. Dr. Pauser Folgendes aus:
Die Ergebnisse im seinerzeitigen Abschlussbericht an das Land Salzburg zur Studie "Wirkungen von GSM-Sendeanlagen auf den Menschen" von Hacker, Pauser und andere, finden nunmehr in zahlreichen wissenschaftlichen Studien ihre Bestätigung. Diese Ergebnisse werden auch in den Aussendungen der "Europäischen Umweltagentur" wie auch im Internet unter dem "BioInitiative Report" bestätigt. Nochmals Bezug nehmend auf die eigene wissenschaftliche Untersuchung zeigt sich ein statistisch signifikanter Trend in der negativen Beeinflussung der Immunlage und ein höchster statistischer Zusammenhang mit einem Ansteigen der Stresshormone im Einfluss der Handymasten. Dabei wurden schon nachweisbare Effekte bei einer "Bestrahlung" von 540 µW/m², das sind 0,5 mW, gefunden, also ein Wert der über den vom Land Salzburg angepeilten Werten liegt. Soll allerdings daraus nur der Schluss gezogen werden eine vernünftige Standortwahl der Sendeanlagen zu wählen und nicht in eine "Technologiefeindlichkeit" zu verfallen, da ja auf der anderen Seite die gesellschaftlich nicht mehr wegzudenkenden positiven Effekte stehen, gerade auch unter der Aussage, dass diese Technik in der Medizin (Erreichbarkeit in Notfällen) von Vorteil ist. Weiters wird in der Diskussion darauf hingewiesen, dass die flächendeckende Einführung der "WLAN-Technik" als technisch oder machbar unrichtig angesehen wurde, da ja die Abkürzung bedeute "wireless local area network". Es bleibe also einem privaten User überlassen, in seinem Betrieb, Institution (wie bei uns die PMU) diese Technik einzuführen und könne somit nicht "flächendeckend" über ein gesamtes Land implementiert werden.
Abschließend erklärt der genannte Experte, jederzeit für Rückfragen zur Verfügung zu stehen.
Im Zusammenhang mit der Verwendung von Funk-Netzwerken an Schulen führt Hofrat
Dr. Berghammer (Leiter der Abteilung 2) Folgendes aus:
Für die Pflichtschulen ist eine einheitliche Aussage nicht möglich, weil mehr als hundert Schulerhalter in ihrer Zuständigkeit betroffen sind. Soweit das Land Salzburg Schulerhalter ist, besteht große Zurückhaltung bei Maßnahmen, welche die Strahlenbelastung für Schülerinnen und Schüler erhöhen könnten.
Sodann führt Landessanitätsdirektor Dr. König Folgendes aus:
Der Salzburger Landtag beschäftigt sich seit 1996 bahnbrechend mit dem Thema der hochfrequenten elektromagnetischen Felder. Damals war der Landtag mit seinem Beschluss zu einer Abstandsregelung zum Schutz vor EMF Ausgangspunkt einer österreichweiten Diskussion dieses Themas, das zwischenzeitlich in der ganzen Welt Beachtung finde. Mit der politischen und ideellen Unterstützung des Salzburger Vorsorgewertes, der durch aktuelle wissenschaftliche Studien und Gesundheitsinitiativen bestätigt werde, entstand ein erheblicher Druck auf die Mobilfunk-Netzbetreiber, die klare Festlegungen von Grenzwerten verlangten und verlangen.
Besonders die offene und konsequente Haltung des für Umweltschutz ressortzuständigen Regierungsmitgliedes LHStv. Dr. Raus habe Salzburg zwischenzeitlich weltweit zu einem Vorreiter des Präventivgedankens gegen EMF gemacht. Die WHO verfüge selbst über keine wissenschaftliche Expertise und Forscher-Gruppe, sodass sie auf die EVU- und Mobilfunkabhängige ICNIRP angewiesen sei. Es entscheide - wie Frau Abgeordnete Dr. Reiter (Grüne) feststellt habe - der Auftraggeber in hohem Maße über das Ergebnis sogenannter wissenschaftlich objektiver Untersuchungen. Die in der Diskussion angesprochenen Cromosomenschäden bedeuten zwar nicht, dass damit ein irreparabler Schaden, etwa in Form eines Karzinoms, entstehe, da aus anderen Anlässen (Kaprun) die Reparaturmechanismen des menschlichen Körpers bei derartigen Schäden bekannt seien. Allerdings könne man nachhaltige Schäden auch nicht sicher ausschließen. Leider seien die neurophysiologischen und neuropathologischen Veränderungen durch EMF im Körper mit den Folgen der Schlaflosigkeit, psychischen Alteration, Depressionen etc kein öffentlichkeitswirksames Argument, sonst würde die Diskussion bereits derzeit mit größerem Engagement geführt werden. Es wäre erfreulich ,wenn der Salzburger Landtag an seiner Mobilfunk kritischen Haltung, die vom Vorsorgegedanken getragen wird, festhalten könnte, so der Landessanitätsdirektor abschließend.
Dr. Oberfeld führt aus, dass in den letzten Jahrzehnten immer neue Umweltfaktoren bekannt geworden seien. So habe die Diskussion Feinstaub bereits vor 17 Jahren begonnen. Es dauere immer eine gewisse Zeit bis es vom Erkennen eines Umstandes zu einer gesellschaftlichen Regelung komme. Zum Thema Elektromagnetische Felder finde derzeit weltweit eine Polarisierung statt. Dr. Oberfeld berichtet, dass verschiedene Grenzwerte festgelegt seien, die vielfach höher seien als der Salzburger Vorsorgewert. Am AKH werden Untersuchungen gemacht, die belegen, dass durch den Einsatz von UMTS Cromosomenbrüche auftreten. Es gebe Hinweise, die den vorsichtigen Umgang einmahnen lassen. Beim neuen UMTS-Netz gehe es vor allem um eine hohe Datenrate. Um diese auch gewährleisten zu können, brauche es hohe Sendeleistungen und viele Standorte. Der Spitzenwert beim UMTS-Netz sei um ein zehnfaches höher als beim GSM-Netz. Weiters führt Dr. Oberfeld aus, dass im August 2007 von einer internationalen Gruppe, bestehend aus Wissenschaftern und Experten der öffentlichen Gesundheit (bioinitiative working group), ein umfangreicher Bericht vorgelegt wurde. Für Hochspannungsleitungen wurde ein Richtwert von 0,1 µT, für Mobilfunksendeanlagen ein Richtwert von 1 mW/m2 (für die Summe im Freien) vorgeschlagen. Diese Werte deckten sich mit den Empfehlungen der Landessanitätsdirektion Salzburg.
Der Ausschuss für Raumordnung, Umweltschutz und Verkehr stellt mit den Stimmen von SPÖ, ÖVP, FPÖ und den Grünen – sohin einstimmig – den
Antrag,
der Salzburger Landtag wolle beschließen:
Die Landesregierung wird ersucht,
1. mit der Bundesregierung unverzüglich Verhandlungen aufzunehmen mit dem Ziel, den Salzburger Vorsorgewert als Grenzwert für elektromagnetische Strahlung verbindlich einzuführen, um gesundheitliche Risken zu minimieren,
2. eine Informationskampagne für Eltern und Jugendliche zu starten, die auf die Gefahren der Mobilfunknutzung für Kinder und Jugendliche hinweist,
3. in den Bereichen, in denen das Land Salzburg zuständig ist, einen differenzierten und zurückhaltenden Einsatz von WLAN zu praktizieren,
4. die Abstandsregelungen zu Hochspannungsleitungen erneut zu überprüfen, und
5. sicherzustellen, dass weitere Studien im Land Salzburg durchgeführt werden können bzw Immissionen durch bestehende Masten überprüft werden können, um Verbesserungen für Anrainer im Sinne des Salzburger Vorsorgewerts vornehmen zu können.
Salzburg, am 7. November 2007
Der Vorsitzende-Stellvertreter:
Obermoser eh
Die Berichterstatterin:
Dr. Reiter eh
Beschluss des Salzburger Landtages vom 12. Dezember 2007:
Der Antrag wurde einstimmig zum Beschluss erhoben.