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Nr. 614 der Beilagen zum stenographischen Protokoll des Salzburger Landtages

(2. Session der 15. Gesetzgebungsperiode)

Bericht

 

des Ausschusses für Europa, Integration und regionale Außenpolitik zum Antrag der Abg. Klubobfrau Mag.a Rogatsch, Landtagspräsidentin Dr.in Pallauf, Ing. Sampl und Neuhofer (Nr. 494 der Beilagen) betreffend die Einhaltung demokratischer Publizitätsstandards und den Schutz demokratischer, ökologischer und konsumentenschutzrechtlicher Standards bei den Verhandlungen zum Transatlantischen Freihandelsabkommen "Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft" (TTIP/TAFTA) und des Ausschusses für Wirtschaft, Energie und Lebensgrundlagen zum Antrag der Abg. Scheinast und Fuchs (Nr. 503 der Beilagen) betreffend das Transatlantische Freihandelsabkommen (TTIP)

 

 

Der Ausschuss für Europa, Integration und regionale Außenpolitik und der Ausschuss für Wirtschaft, Engerie und Lebensgrundlagen haben sich in der Sitzung vom 14. Mai 2014 mit dem Antrag befasst.

 

Zu Beginn der Debatte werden von den Sprechern der Landtagsparteien folgende Stellungnahmen abgegeben:

 

Klubobfrau Abg. Mag.a Rogatsch stellt fest, dass die Verhandlungen zum Transatlantischen Freihandelsabkommen seit Monaten für Diskussionen auf nationaler Ebene und im Europäischen Parlament z. B. im Ausschuss für Internationalen Handel sorgen. Es gehe dabei um ein transatlantisches Handels- und Investitionsabkommen zwischen der EU und ihren 28 Mitgliedsländern und den Vereinigten Staaten von Amerika. Inhaltlich gehe es bei den Verhandlungen nicht nur um direkte Auswirkungen auf den gesamten Bereich der Wirtschaft, sondern auch auf andere Bereiche. Es handle sich dabei um ein Abkommen, das auch eine völlig neue Wirtschaftsordnung bringen könne. Es sei möglichweise eine Antwort auf die zunehmende Konkurrenz aus dem Osten, oder auf sonstige bilaterale Verhandlungen von beiden Partnern. Als Folge dieses neuen Abkommens soll dann die größte Handelszone der Welt mit über 800 Mio. Konsumenten entstehen, was ungefähr ein Drittel des Welthandels umfassen würde. Allein für die EU würden wirtschaftliche Auswirkungen in der Höhe von € 120 Mrd. geschätzt.

Es bestehe die Sorge, dass in manchen Bereichen Zahlen, Daten, Fakten, Studien und Unterlagen fehlen, insbesondere was die Auswirkungen auf ökologische Bereiche, auf soziale Ebenen und auf die Lebensmittelbereiche betreffe. Hier würden sich Gräben auftun, die die unterschiedlichen Ansichten der Mitgliedsländer der EU und der Vereinigten Staaten von Amerika zum Ausdruck bringen – unterschiedliche Ansichten im Hinblick auf die Bedeutung von gesunden Lebensmitteln, auf nachhaltige Energieversorgung, auf Anbau und Vertrieb von gentechnisch veränderten Produkten, auf effektive Umweltkontrollen, auf Produktsicherheit etc. Hier gebe es unterschiedliche Zugänge zwischen Europa und den Vereinigten Staaten. In diesen Verhandlungen sollten einige "No Gos" definiert werden, die insbesondere das Absenken unserer hohen Standards im Umwelt-, Produktions-, Gentechnik-, Sozial- und Lebensmittelsicherheitsbereich betreffen. Definiert werden sollte auch eine unbedingte Ausnahme des gesamten Bereichs der öffentlichen Daseinsvorsorge. Wichtig sei auch, dass eine größtmögliche Transparenz hergestellt werde. Mittlerweile befassen sich viele Institutionen mit diesem Vertrag und auch die österreichischen Bundesländer ringen um eine gemeinsame Stellungnahme. Es wäre gut, wenn sich der Salzburger Landtag deutlich artikuliere, worum es ihm diesbezüglich gehe. Aus diesem Grund seien der ÖVP-Antrag und der Antrag der Grünen zusammengeführt worden. Man sage nicht Nein zu diesem Handelsabkommen, sondern man unterstütze die Verhandlungen, die die EU mit den Vereinigten Staaten über die in der Präambel des Antrages angeführten und zitierten Ziele führe. Aber es sind einige Gräben zu überwinden und einige "No Gos", die in diesen Verträgen nicht enthalten sein dürfen, zu formulieren. Die zuständigen Gremien auf Bundes- und Europaebene müssen sich damit eingehend auseinander setzen.

 

Abg. Scheinast sagt, dass das derzeit in Rede stehende Abkommen kein Freihandelsabkommen, sondern ein Investorensicherheitsabkommen und ein Standardabgleichungsabkommen sei. Besonders störend seien die über ein normales Handelsabkommen hinausgehenden möglichen Einflüsse auf die europäische Bevölkerung. Tatsache sei auch, dass es zwei verschiedene Rechtskulturen gebe. So kümmere sich in unserer Rechtskultur der Staat – die öffentliche Hand – um Teile der Daseinsvorsorge und formuliere Rahmenbedingungen. Der Bund, die Länder, die Gemeinden schauen auf ihre Bürger und setzen Eckpfeiler ein, um den Schutz und die Gesundheit der Menschen zu gewährleisten. In Amerika seien es private gewinnorientierte Institute, die sich darum kümmern, Standards festzulegen, an die sich nicht alle halten müssen. Würden die amerikanischen Standards, die von gewinnorientierten Instituten formuliert werden, unsere europäischen – von der öffentlichen Hand und vom Gesetzgeber formulierten – Standards gegenübergestellt und in weiterer Folge unsere ausgehöhlt, dann habe man ein Riesenproblem. Der Blick würde dann nicht mehr auf die Gesundheit und das Wohlergehen der Menschen und auf das Gemeinwohl gerichtet sein, sondern nur mehr auf Gewinnmaximierung und Umsatzerhöhung. Das sei das Hauptproblem. Es gebe ganz wenig Freihandel in diesem Abkommen und ganz viel Deregulierung. In der Bevölkerung sei diesbezüglich das Unbehagen sehr groß. Es ist zu befürchten, dass mit dem Freihandelsabkommen eine Nivellierung aller Standards nach unten vorgenommen werde.

 

Zweite Präsidentin Mosler-Törnström BSc kritisiert, dass immer suggeriert werde, dass es hier um Zukunftschancen, um mehr Arbeitsplätze, Wettbewerbsfragen etc. gehe. Es soll ein Gesamtvertragswerk geschaffen werden, in dem es um viel mehr als um einheitliche Industriestandards gehe. Es gehe um gesellschaftliche und kulturelle Standards, die angeglichen werden sollen und dieses Freihandelsabkommen sei, so wie es derzeit aussehe, ein Abkommen für die Wirtschaft auf Kosten der Bürger. Sie kritisiert auch, dass die Verhandlungsführung dazu sehr intransparent sei. So haben im Vorfeld die Großkonzerne und Lobbyistenverbände ihre Wunschlisten vorlegen können, aber die gewählten Vertreterinnen und Vertreter der europäischen Staaten seien vom Verhandlungsprozess ausgeschlossen. Dieses Vorgehen verursache berechtigterweise Unsicherheit und Skepsis. Sehr verwunderlich sei auch, dass das Freihandelsabkommen, das im Vorfeld mit Kanada ausverhandelt worden sei, zu keinerlei Aufschrei geführt habe. Im Windschatten dieses Freihandelsabkommens, das erst ratifiziert werden müsse, könnte die USA von der Hintertür aus genauso auf den europäischen Markt kommen und in alle Lebensbereiche mit ihren Standards eingreifen. Daher sei es auch wichtig, das Freihandelsabkommen mit Kanada (CETA) mit zu berücksichtigen und Zweite Präsidentin Mosler-Törnström BSc schlägt vor, dieses in den Antrag aufzunehmen. Auch die SPÖ sei der Meinung, solange es keine wirklich eindeutigen und festgeschriebenen Antworten gebe, solange könne diesem Freihandelsabkommen nicht zugestimmt werden und so wie es jetzt ausschaue, würde Europa mit TTIP verlieren. Zweite Präsidentin Mosler-Törnström BSc schlägt vor, den Abänderungsantrag als Fünf-Parteien-Antrag zu verabschieden.

 

Abg. Steiner-Wieser betont, dass die FPÖ die Debatte um dieses Freihandelsabkommen sehr aufmerksam und kritisch beobachte. Es sei absehbar, dass die Gewinner dieses Abkommens großteils amerikanische Konzerne sein würden. Die Sorge der FPÖ gelte vor allem den Standards in den Bereichen Umwelt, Lebensmittel, Arbeitnehmerschutz etc. Besonders kritisiert Abg. Steiner-Wieser die "geheimen Verhandlungen". Man wisse gar nicht, worüber eigentlich verhandelt werde. Besonders irritierend sei, dass der EU-Handelskommissar den EUGH mit einer Prüfung beauftragt habe, ob denn überhaupt die Zustimmung der nationalen Parlamente notwendig sei. In die Entscheidungen auf europäischer Ebene müssten die nationalen Parlamente wie auch die Bürger auf jeden Fall miteinbezogen werden. Ein Volksentscheid sei anzudenken. Der vorliegende Antrag sei ein Schritt in die richtige Richtung.

 

Abg. Konrad MBA stellt die Frage nach dem Vertrauen in die europäischen Parlamentarier in den Raum. Man müsse sich vor allem ansehen, wer hier die Entscheidungen treffe. Außerdem sie die Frage des Gerichtsstandortes eine Kernfrage.

 

Mag. Laireiter von der Arbeiterkammer berichtet, dass es zwar Zahlen, Daten, Fakten, Studien und Unterlagen gebe, die allerdings alle stark differieren. Zu beobachten sei, dass diese prognostizierten Wachstumssteigerungen, wie z. B. auch im Zusammenhang mit der Binnenmarktregelung oder mit der Dienstleistungsrichtlinie, in Europa nie eingetreten seien. Vor allem fehle in den Verhandlungen die Transparenz. Es werde über Gesundheits- und Lebensmittelstandards diskutiert und Amerika habe nicht einmal die ILO Kernarbeitsnormen ratifiziert. Enorme Unterschiede gebe es zwischen Amerika und Europa auch bei der Daseinsvorsorge und sollte daher nicht Gegenstand dieses Freihandelsabkommens sein. Mit der aktuellen Einstellung Amerikas zu den Datenschutzrechten wäre es sinnlos, diese zum Gegenstand der Verhandlungen zu machen und besonders kritisch werde seitens der AK auch das Investorenschutzabkommen gesehen.

 

Dr. Möller von der Wirtschaftskammer berichtet, dass es bereits zahlreiche Freihandelsabkommen gebe, mit denen die österreichische Wirtschaft gut umgehen könne. Sei früher das Kernthema solcher Abkommen der Zollabbau gewesen, so sollen die neueren Freihandelsabkommen um weitere Themen, wie z. B. jene des Umweltschutzes, der Arbeitsschutznormen etc. angereichert werden. In allen derzeit verhandelten Freihandelsabkommen seien diese zusätzlichen Schutznormen bereits enthalten. Diese seien zu erfüllen und können durch EU-Organe kontrolliert werden. In Bezug auf die Verhandlungen zum Transatlantischen Freihandelsabkommen müsse nunmehr in Kleinarbeit eine Positiv- und Negativliste erstellt werden. Die Wirtschaftskammer arbeite bereits seit einigen Monaten österreichweit daran. Weiters spricht sich Dr. Möller für die Einrichtung einer Schiedsgerichtbarkeit bei internationalen Verträgen aus. Ein österreichisches Urteil habe z. B. in Amerika keine Wirksamkeit, da es kein Vollstreckungsabkommen gebe. Werde im Vertrag die Zuständigkeit eines Schiedsgerichts vereinbart, habe ein Spruch dieses Gerichts für beide Vertragsparteien Bindungswirkung. In der beruflichen Beratungspraxis empfehle er deshalb Firmen, die internationale Verträge abschließen wollen, die Vereinbarung einer Schiedsgerichtsbarkeit.

 

Der Abänderungsantrag der ÖVP Antrag wird um die Wortfolge "und CETA-Abkommen" im Punkt 1.1. ergänzt und als Fünf-Parteien-Antrag zur Abstimmung gebracht.

 

Der Ausschuss für Europa, Integration und regionale Außenpolitik sowie der Ausschuss für Wirtschaft, Energie und Lebensgrundlagen stellen mit den Stimmen von ÖVP, SPÖ, Grünen, FPÖ und TSS – sohin einstimmig – den

 

Antrag,

 

der Salzburger Landtag wolle beschließen:

 

1.           Die Landesregierung wird ersucht, die Bundesregierung aufzufordern,

 

1.1.   die Öffnung und Publizität der Verhandlungen zum TAFTA/TTIP und CETA-Abkommen bei der Europäischen Kommission einzufordern, den bisherigen Schriftverkehr zwischen Europäischer Kommission und Österreich offen zu legen und in den Verhandlungen sicher zu stellen, dass es zu keiner Aushebelung bestehender österreichischer und europäischer Schutzstandards im Bereich der Gentechnik, der Lebensmittelsicherheit, des Umwelt- und Verbraucherschutzes, des Tierschutzes sowie der gesetzlichen Standards für Produktsicherheit und des Arbeits- und Sozialbereiches und des Datenschutzes kommt,

 

1.2.      sicherzustellen, dass Leistungen der Daseinsvorsorge von diesem Abkommen ausgenommen sind,

 

1.3.      dass das Investor-State Dispute Settlement – das die Entschädigung ausländischer Investoren für einen behaupteten Verdienstentgang durch gesetzliche Standards erleichtern würde – nicht in den Freihandelsvertrag aufgenommen wird,

 

1.4.   die österreichischen Mitglieder des Europäischen Parlaments von diesem Beschluss in Kenntnis zu setzen und zu einer Stellungnahme an den Salzburger Landtag aufzufordern, und

 

1.5.   den Salzburger Vertreter im Ausschuss der Regionen über diesen Beschluss in Kenntnis zu setzen und zu ersuchen, im Rahmen seiner Tätigkeit eine entsprechende Initiative im Ausschuss der Regionen zu initiieren.
 

2.      Der Salzburger Landtag spricht sich gegen den Abschluss des Freihandelsabkommens aus, falls eine oder mehrere dieser Bedingungen nicht oder nur ungenügend erfüllt wird.

 

3.      Die Landtagspräsidentin wird ersucht im Rahmen der Landtagspräsidentenkonferenz auf diesen Beschluss des Salzburger Landtages hinzuweisen und über die Verbindungsstelle die Forderung aufzustellen, dass der Landtag über die regulatorischen Kooperationsvorhaben, die in seine Kompetenzen eingreifen, zeitgerecht und umfassend – einschließlich der entsprechenden Verhandlungstexte – informiert wird.

 

 

Salzburg, am 14. Mai 2014

 

Der Vorsitzende:

HR Dr. Schöchl eh.

 

Die Berichterstatterin:

Mag.a Rogatsch eh.

 

Beschluss des Salzburger Landtages vom 4. Juni 2014:

Der Antrag wurde mit den Stimmen von ÖVP, SPÖ, Grünen, FPÖ und TSS – sohin einstimmig – zum Beschluss erhoben.