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Nr. 503 der Beilagen zum stenographischen Protokoll des Salzburger Landtages

(2. Session der 15. Gesetzgebungsperiode)

Antrag

 

der Abg. Scheinast und Fuchs betreffend das Transatlantische Freihandelsabkommen (TTIP)

 

 

Seit Juli letzten Jahres verhandelt die EU-Kommission mit der US-Regierung über ein Freihandelsabkommen, das binnen zwei Jahren die größte Freihandelszone der Welt schaffen soll: Die transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft TTIP.

 

Die Verhandler versprechen den Menschen beiderseits des Atlantiks Wachstum und Arbeitsplätze. Der Handelskommissar der EU, der flämische Liberale Karel De Gucht, kündigt durch die Deregulierung des Markts und den freien Austausch von Gütern, Dienstleistungen und Investitionen einen Wachstumsschub im Ausmaß von € 119 Mrd. pro Jahr für die europäische Wirtschaft an, also eine Art Konjunkturpaket mit einem jährlichen Zusatzeinkommen von € 500,-- pro Familie. Es gehe also "um richtig viel Geld", so der Kommissar.

 

In der Süddeutschen Zeitung vom 11. November 2013 bezweifelt Prof. Christoph Scherrer, Leiter des Fachgebiets Globalisierung und Politik der Universität Kassel und Direktor des "International Center for Development and Decent Work", diese Prognosen. Da auch Gesetze und Standards für alle denkbaren Branchen angeglichen werden sollen, gebe es "unglaublich viele Parameter, die man gar nicht alle berücksichtigen kann".

 

Die Prognosen des Handelskommissars sind demnach dem Bereich des Phantastischen zuzuordnen, solange das Abkommen nicht ausverhandelt ist – um neoliberales Wunschdenken. Scherrer erinnert an das Freihandelsabkommen Nafta zwischen den USA, Mexiko und Kanada. Die damaligen Versprechungen nach mehr Wachstum und Arbeit seien nicht eingetreten. Im Gegenteil, die Armut und Landflucht in Mexiko hätten zugenommen. Der Tagesspiegel vom 6. November 2013 bezeichnet die Prognosen De Guchts als "PR-Blase" und warnt vor einer weiteren Entmachtung der demokratisch gewählten Parlamente zu Gunsten transnationaler Konzerne.

 

Was steckt hinter dem Plan? Die Zölle zwischen den USA und der EU sind bereits weitgehend abgebaut und betragen im Durchschnitt nur noch vier Prozent. Es kann also nur um den Abbau der so genannten nicht-tarifären Handelshemmnisse gehen. Das sind gesetzliche Standards in allen Bereichen von sozialen Schutzbestimmungen über Menschen- oder Arbeitnehmerrechte bis zum Verbraucher-, Gesundheits-, Umwelt-, Daten- und Urheberschutz.

Rein theoretisch könnte ein solches Freihandelsabkommen zu einer Anhebung von gesetzlichen Schutzstandards führen. Angesichts der bestehenden Interessenslagen und Machtverhältnisse müssen wir jedoch davon ausgehen, dass das Gegenteil der Fall sein wird, weil die internationalen Konzerne den Inhalt des Abkommens bestimmen werden.

 

Gefährdet ist etwa das in Europa geltende Vorsorgeprinzip. Es verpflichtet Unternehmen nachzuweisen, dass ihre Produkte unschädlich sind. In den USA ist das genau umgekehrt: Gentechnisch veränderte Pflanzen können so lange in Umlauf gebracht werden, bis der Nachweis von Risiken oder schädlichen Folgen gelingt.

 

Deshalb könnten unter anderem Tiergesundheits- und Ernährungsstandards unter die Räder kommen und gentechnisch veränderte Nahrungsbestandteile, bedenkliche industriell hergestellte Lebensmittel oder auch Klonfleisch in den Lebensmittelhandel Eingang finden.

Kürzlich hat Angelika Hilbeck, Agro-Ökologin der ETH Zürich, vor einer weiteren Industrialisierung der Landwirtschaft durch die geplante Freihandelszone gewarnt.

 

Der drohende Abbau von Standards mit vielfältigen negativen Auswirkungen in den verschiedensten Lebensbereichen ist ein Aspekt. Ein anderer ist die Stärkung der Rechtsstellung von Investoren und transnationalen Konzernen.

 

Der amerikanische Öl- und Gasproduzent Lone Pine Ressources Inc. hat den kanadischen Staat auf eine Entschädigungszahlung von 250 Millionen Dollar verklagt, weil das kanadische Parlament ein Moratorium für Schiefergas- und Öl-Fracking beschlossen hat. Der Steuerzahler soll also Privatunternehmen für entgangene Profite aus verbotener Umweltzerstörung entschädigen. Die perverse Gesetzeslage, die das ermöglicht, ist durch das Freihandelsabkommen Nafta geschaffen worden.

 

Die Wochenzeitschrift DIE ZEIT berichtet in ihrer Ausgabe vom 5. Dezember 2013 von einer Klage des Energieriesen Vattenfall gegen die Bundesrepublik Deutschland. Es gehe um € 3,7 Mrd. Schadensersatz dafür, dass der Konzern infolge der deutschen Energiewende seine Atommeiler früher als geplant abschalten muss.

 

Das Verfahren findet nicht vor einem ordentlichen Gericht, sondern vor einem Schiedsgericht, dem International Centre for Settlement of Investment Disputes in Washington unter Ausschluss der Öffentlichkeit  und ohne Berufungsmöglichkeit statt.

 

Auf der Basis von Investitionsschutzabkommen (Investor-State Dispute Settlement, ISDS) sehen internationale Freihandelsabkommen solche Schiedsgerichte vor. Damit wird das Primat der Konzerne über die Politik weiter gestärkt. Demokratische Entscheidungen werden ausgehebelt und der Spielraum der Politik weiter eingeengt. Deshalb haben über 100 internationale, europäische und amerikanische Nicht-Regierungsorganisationen von Greenpeace über ATTAC bis zum Internationalen Gewerkschaftsbund in einem Schreiben an Kommissar De Gucht am 16. Dezember 2012 gefordert, dass das Investor-State Dispute Settlement nicht in den Vertrag über die Freihandelszone USA-EU aufgenommen wird.

 

"Der Staat tritt damit ein Stück seiner Souveränität ab, ausscheren kann er sich dann finanziell kaum mehr leisten", lautet das Resümee von Prof. Scherrer in der Süddeutschen. Gewinner seien die transnationalen Konzerne, Verlierer die mittelständischen Unternehmen und die BürgerInnen.

 

Das Europäische Parlament wird seiner demokratischen Mitwirkungs- und Kontrollaufgaben beraubt. Das Verhandlungsmandat, das die Regierungschefs der EU-Mitgliedsstaaten der Kommission erteilt haben, ist geheim und wird dem Europäischen Parlament als direkt gewähltem Repräsentanten der 500 Millionen BürgerInnen Europas vorenthalten. Die Verhandlungen finden unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt.

 

Erst nach Ende des Verhandlungsprozesses kann das europäische Parlament darüber befinden, Nachverhandlungen erzwingen oder es zurück an den Start schicken. Obwohl die Verhandlungen derzeit etwas ins Stocken geraten sind und sich beiderseits des Atlantiks Widerstand regt, ist dringender Handlungsbedarf geboten. Es ist inakzeptabel, dass eine Behörde über die Einschränkung oder Außerkraftsetzung von Gesetzen verhandelt und dem Vertreter des Souveräns Einblick, Mitwirkung und Kontrolle verwehrt.

 

In diesem Zusammenhang stellen die unterzeichneten Abgeordneten den

 

Antrag,

 

der Salzburger Landtag wolle beschließen,

 

1.           Die Salzburger Landesregierung wird ersucht, ihren Einfluss auf allen Ebenen dahingehend geltend zu machen,

 

1.1.      dass das Europäische Parlament laufend über den Fortgang der Verhandlungen über Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten von Amerika zur Schaffung der Freihandelszone TTIP informiert wird und Zugang zu allen Verhandlungstexten bekommt,

 

1.2.      dass arbeitsrechtliche Normen und gesetzliche Standards für Produktsicherheit sowie für den Verbraucher-, den Gesundheits-, den Umwelt- und den Datenschutz nicht abgesenkt werden und

1.3.      dass das Investor-State Dispute Settlement – das die Entschädigung ausländischer Investoren für einen behaupteten Verdienstentgang durch gesetzliche Standards erleichtern würde – nicht in den Freihandelsvertrag aufgenommen wird.

 

2.           Der Salzburger Landtag spricht sich gegen den Abschluss des Freihandelsabkommens aus, falls eine oder mehrere dieser drei Bedingungen nicht oder nur ungenügend erfüllt wird.

 

3.           Die Salzburger Landesregierung wird ersucht, dafür Sorge zu tragen, dass die Landtage über alle regulatorischen Kooperationsvorhaben, die in ihre Kompetenzen eingreifen, zeitgerecht und umfassend – einschließlich der entsprechenden Verhandlungstexte – informiert werden.

 

4.           Dieser Antrag wird dem Ausschuss für Wirtschaft, Energie und Lebensgrundlagen zur weiteren Beratung, Berichterstattung und Antragstellung zugewiesen.

 

 

Salzburg, den 26. März 2014

 

Scheinast eh.

 

Fuchs eh.